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Wiener Schweigen

Wiener Schweigen

Titel: Wiener Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Strohschein
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Glasplatte lag, neben dem Brustkreuz, der Türkis. Rosa lief ein Schauer über den Rücken. Sie kannte dieses Gefühl nur allzu gut, denn sie empfand es jedes Mal, wenn sie einen Kunstgegenstand vor sich hatte. Sie zog sich Stoffhandschuhe an und begann mit der Vermessung des Steines.
    Der Hirsebrei zahlte sich aus. Als Rosa auf die Uhr blickte, war es zwei vorbei. Sie hatte vier Stunden konzentriert gearbeitet und viel herausgefunden. Sie rief Liebhart an, und er versprach, so schnell wie möglich ins Labor zu kommen.
    Rosa wollte in der Zwischenzeit etwas essen und wählte das Café Blaustern am Döblinger Gürtel, unweit des Bundeskriminalamtes. Normalerweise saß sie lieber draußen, doch in Anbetracht der ungünstigen Lage des Blausterns – zwei viel befahrene Straßen, die Nussdorfer Straße und der Gürtel, kamen an diesem Punkt zusammen – entschied sie sich dafür, drinnen zu sitzen.
    Sie verdrückte ein riesiges Wiener Schnitzel vom Kalb mit Reis und Erdäpfelsalat. Beim Espresso starrte sie auf die Autokolonnen, die sich träge Richtung Nordbrücke schoben, und ging in Gedanken ihre Untersuchungsergebnisse noch einmal durch.
    Etwas später stand sie neben Liebhart im Labor. An der Wand hingen, an einem Lichtklemmbrett montiert, vergrößerte Abbildungen des Türkises.
    »Der Stein ist vier Zentimeter lang, eineinhalb Zentimeter breit und an seiner dicksten Stelle neun Millimeter hoch. Er wurde glatt geschliffen und mit einer speziellen Schleifart, dem Cabochon, in Form gebracht«, begann Rosa.
    »Was ist das für ein Schliff?«
    »Bei einem Cabochonschliff wird der Stein auf der Unterseite gerade und auf der Seite, die nach außen getragen wird, hügelig geschliffen. So, wie du es bei diesem hier siehst.« Rosa deutete auf die Folie. »Der Türkis hat eine Mohshärte von knapp unter sechs, deswegen ist er auch nicht sehr porös.«
    Liebhart sah sie fragend an.
    »Je größer die Härte ist, desto größer ist auch die relative Dichte, und desto kleiner ist auch die Porosität. Das bedeutet, dass es ein qualitativ hochwertiger Stein ist.«
    »Er hat eine wunderschön reine blaugrüne Farbe«, stellte Liebhart fest.
    »Der Wert des Türkises als Schmuckstein wird generell durch die Intensität der Farbe bestimmt, wobei ein tiefes Himmelblau am begehrtesten ist. Je grüner, heller oder gesprenkelter der Stein, desto weniger wert ist er auch. Weiters weist dieser Türkis keine Matrixeinlagerung auf – das sind braune, graue oder schwarze spinnwebartige Adern –, auch ein Zeichen hoher Qualität.«
    Sie warf einen Blick auf ihre Aufzeichnungen.
    Liebhart wippte unruhig auf seinen Fersen auf und ab. »Könnte er eventuell auch zu einem Schmuckstück gehören? Einer Brosche oder Ähnlichem?«
    Rosa schüttelte zweifelnd den Kopf. »Er ist zu groß für ein Schmuckstück und weist keinerlei Oberflächenveränderungen durch Wasser oder Seife auf.«
    »Ist seine Oberfläche speziell behandelt worden?«
    »Ja, sie wurde vor sehr langer Zeit mit Öl eingerieben. Heute macht man Türkise widerstandsfähig, indem man sie mit einer dünnen Schicht aus Kunstharz überzieht. Nachdem das bei unserem Stein nicht der Fall ist, können wir davon ausgehen, dass er schon vor sehr langer Zeit das letzte Mal gepflegt worden ist. Ich schätze, er ist vor über sechshundert Jahren geschliffen worden. Seine Oberfläche wurde nur mit Öl behandelt, und das Öl ist circa zweihundert Jahre alt.«
    »Dann kann er nicht zum Brustkreuz passen, denn das wurde ja sehr sorgfältig poliert«, warf Liebhart ein.
    »Der Türkis ist trotzdem der fehlende Stein. Neben der passenden Größe hat er auch leichte Kratzer, die zu den Zähnen der Fassung auf dem Brustkreuz passen.«
    »Also wurde das Kreuz, nachdem der Stein herausgefallen war, poliert.«
    »Richtig, das beweisen auch Reste von Reinigungsmilch, die in der leeren Fassung auf dem Brustkreuz gefunden worden sind.« Rosa nahm den Bericht der Spurensicherung erneut zur Hand. »Und jetzt das Wichtigste: Es befindet sich menschliches Blut auf dem Stein.«
    »Schurrauer hatte den Stein im Mund, wie konnte man da noch Reste von Blut finden?«
    »Da der Stein vor sehr langer Zeit das letzte Mal gepflegt worden ist, sind winzige Risse entstanden, in denen es sich ablagern konnte.«
    »Wie alt ist denn das gefundene Blut?« Liebhart rieb sich die Augen.
    »Ein paar Wochen, es ist noch nicht sehr stark zersetzt. Die Forensik hat zwar feststellen können, dass es von einer Frau sein muss, konnte

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