Wiener Schweigen
einen erneuten Anschlag auf ihr Leben mit. Bevor sich die beiden wegen Liebharts Befürchtungen in die Haare kriegen konnten, beendeten sie die Besprechung und fanden eine wienerische Lösung, um die gespannte Atmosphäre zu lösen, indem sie nach Grinzing zum Heurigen fuhren. Schurrauer schloss sich an, und so saßen sie eine Dreiviertelstunde später auf ungemütlichen Holzsesseln beim Weingut Feuerwehr Wagner in der Grinzinger Straße. Mit jedem Achterl Weißburgunder wurden die Sessel gemütlicher. Die Sonne brach durch die dichten Baumkronen und warf scharfe Schatten auf den aufgewühlten Kies. Da noch keine Touristen von riesigen Reisebussen angekarrt worden waren und auch die Heurigensänger mit ihren vom Wein verquollenen Gesichtern im Schatten der Bäume Kraft für den Abend sammelten, war die Idylle fast perfekt. Trotzdem spürten die drei leichte Nervosität, da sich nun endlich eine Lösung des Falles abzeichnete.
Mitte der Woche kam die Nichte von Friedrich Kobald aus Kanada zurück.
»Wie wir vermutet hatten: Zieliński hat Kobald aufgesucht und ihn um Hilfe bei der Suche nach der Ikone gebeten. Er hat sich sehr gut mit dem alten Sammler verstanden«, resümierte Schurrauer das Gespräch mit ihr.
»Wieso weiß sie davon?«, fragte Liebhart.
»Obwohl sie in Deutschland und ihr Onkel in Wien gewohnt hat, hatten die beiden ein sehr enges Verhältnis.«
»Unser Glück.«
»Sie war erschüttert, als ich ihr die Todesnachricht überbracht habe. Der Sammler hatte ihr erzählt, dass ein junger Mann ihn um Hilfe gebeten hatte. Kobald war froh darüber gewesen, jemanden gefunden zu haben, der seine Leidenschaft für liturgische Kunstgegenstände zu teilen schien. Er hatte ihm seine Sammlung gezeigt, dabei dürften die Fingerabdrücke auf den Weihwassersprengel gekommen sein.«
»Na, jetzt wissen wir wenigstens darüber Bescheid. Aber wir haben noch immer keine Ahnung, wer Kobald erschlagen hat.«
»Die Nichte hat mir einen Tipp gegeben. Siegfried Böll, ebenfalls Sammler, hatte ihren Onkel schon lange gedrängt, ihm die Monstranz, die gestohlen worden ist, zu verkaufen. Kobald hatte sich oft darüber beklagt, dass Böll ihm regelrecht auflauerte, um ihn dazu zu bewegen. Ich werde einmal mit diesem Herrn Böll reden.«
Liebhart gab seine Zustimmung und stellte Schurrauer einen zweiten Beamten zur Seite.
Wenig später meldete sich Professor Wankel, um Liebhart die Untersuchungsergebnisse mitzuteilen.
»Sie sind ein Zauberer«, rief Liebhart und strahlte Rosa an.
Sie schlief in dieser Nacht schlecht, stand um sechs Uhr auf und ging in Gedanken immer wieder alles durch. Die Katze beobachtete sie, wie sie nervös durchs Haus tigerte und manchmal laut mit sich selbst sprach.
In Wien ließ sie ihr Auto stehen und stieg zu Liebhart in den Wagen, der schon auf sie wartete. »Wir haben Kobalds Monstranz gefunden«, war das Erste, was er zu ihr sagte.
»Ist nicht wahr! Bei wem?«
»Bei Herrn Böll. Er wurde sichtlich nervös, als Schurrauer mit einem Kollegen bei ihm aufgekreuzt ist. Stell dir vor, er hat die Monstranz nicht einmal versteckt, sie stand auf einem Regal in seinem Wohnzimmer.«
»Na, der war sich sicher, dass keine Spur zu ihm führt.«
Liebhart klopfte sich mit seinem Zeigefinger an die Schläfe. »Der ist nicht ganz dicht. Er war vollkommen davon überzeugt, dass sie ihm gehört und niemand sonst ein Recht hätte, sie zu besitzen.«
»Wie ist er denn zu dem Stück gekommen?«
»Er hat Kobald um ein letztes Gespräch gebeten, mit dem Versprechen, ihn danach in Ruhe zu lassen. Den Mord hat er allerdings nicht gestanden. Schurrauer verhört ihn gerade. Vielleicht packt er ja noch aus.«
Hoffen wir es, dachte Rosa und sah auf die vorbeiziehende Landschaft.
Sie fuhren schweigend ins Kahlenbergerdorf. Alles war genau geplant, es gab nichts mehr zu bereden. Sie warteten im Auto, bis keine Kunden mehr im Geschäft waren. Rosa wusste, dass Frau Tobler am Samstag immer pünktlich um zwölf die eisernen Läden vor die Fenster zog. Um fünf vor zwölf stiegen sie und Liebhart aus dem Auto und gingen auf das Geschäft zu.
»Und du bist dir ganz sicher?«, hakte Liebhart noch ein letztes Mal nach.
»Alraune, Stechapfel«, zählte Rosa auf, »und Bilsenkraut.« Sie sah Liebhart an und öffnete die Tür zum Laden.
Ihr Kommen wurde durch das Läuten der Glocke am Eingang angekündigt.
Rosa hörte Geräusche aus dem Lager, dann rief Frau Tobler: »Komme!«
Eigentlich war schon alles klar, als die
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