Wienerherz - Kriminalroman
Woche damit zu tun, sie wieder auf den Boden herunterzuholen. Aber darf ich jetzt noch einmal fragen, warum Sie überhaupt hier sind? Leopold sprach von einem Selbstmord.«
Ihr Blick wurde aufmerksam. Sie würde keine Ausrede schlucken.
»Es gibt ein kleines Detail, das mir keine Ruhe lässt. Das möchte ich gern klären, bevor ich die Akte schließe.«
»Sie glauben …?«
»Ich glaube gar nichts. Ich muss nur ein kleines Detail klären.«
»Und das wäre?«
»Kann ich Ihnen nicht sagen.«
»Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Indem Sie mir erzählen, was Sie über Ihren Ex-Mann wissen. Warum würde er sich das Leben nehmen?«
Sie nickte, sagte: »Oder warum würde ihm jemand das Leben nehmen?«
Freund wartete.
»Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Er war ein Weiberheld. Deshalb habe ich mich auch von ihm getrennt. Einige andere Frauen hat er sicher auch verletzt. Und einigen Männern Hörner aufgesetzt.«
»Kennen Sie Namen?«
Wieder lachte sie. »Manuela Korn zum Beispiel. Ups, aber da muss ich wohl aufpassen. Scherz beiseite. Wir sind seit sechs Jahren geschieden. Seither lebte jeder sein eigenes Leben. Wir sahen uns, wenn er Marlies abholte und brachte, dann wechselten wir ein paar unverbindliche Worte. Ab und zu telefonierten wir, wenn es um Ferien oder Feiertage ging. Das war es aber auch schon.«
Wahrscheinlich war es dann wenig sinnvoll, sie weiter nach möglichen Motiven zu fragen. Tun musste er es trotzdem.
»Kann es andere Gründe gegeben haben?«
»Keine Ahnung, ehrlich. Ich wüsste nicht, welche.«
»Anders gefragt: Warum sollte sich Florian Dorin das Leben nehmen?«
»Diese Frage würde mich viel mehr interessieren. Abgesehen von einer Sache war Florian einer der fröhlichsten und lebenslustigsten Menschen, die ich kannte. Und das war keine überkompensierte Depression bei ihm, er war wirklich so. Menschlich gesehen ist diese Frage spannend, psychologisch vielleicht auch. Aber für Sie als Kriminalisten ist sie belanglos. Sein Motiv müssen Sie ja nicht klären. Nur das eines möglichen fremden Täters.«
»Seines wäre auch für mich hilfreich«, antwortete Freund. »Dann müsste ich nicht nach anderen suchen. Bis jetzt höre ich aber immer nur von einer Person, der niemand diese Tat zutraut.«
»In keinen Menschen kann man wirklich hineinschauen.«
»Sie sagten gerade: abgesehen von einer Sache. Was war das?«
Sie verzog den Mund, als hätte sie in etwas Saures gebissen.
»Er war ein Kontrollfreak. Bei ihm musste alles seine Ordnung haben. Haben Sie seine Schreibtische gesehen? Da liegen die Blätter parallel zur Tischkante. Oder seinen Kleiderschrank. Sie haben keine Vorstellung davon, wie viele Haushälterinnen er verschlissen hat, weil seine Pullover nicht zusammengelegt und übereinandergestapelt waren wie mit dem Lineal abgemessen.«
»Und wenn man seine Ordnung durcheinanderbrachte?«
»Wurde er gereizt. Dann sorgte er schnell dafür, dass alles wieder an seinem Platz war, damit seine Laune stieg.«
»Er wurde nicht aggressiv oder gar gewalttätig?«
»Nie. Da fällt mir ein: Haben Sie in seinen Tagebüchern nachgesehen? Vielleicht hat er darin was geschrieben.«
»Tagebücher haben wir keine gefunden.«
»Florian hat häufig am Abend in kleine Notizbüchlein gekritzelt. Als ich ihn einmal fragte, was er da schreibe, antwortete er nur: ›Dies und das, was der Tag so gebracht hat.‹ Er schloss sie in seinem Schreibtisch oder sogar im Safe ein.«
Freund nahm sich vor, die Unterlagen aus der Villa danach zu durchsuchen. Solchen Aufzeichnungen vertrauten die Menschen schließlich oft mehr an als ihren Lebenspartnern oder besten Freunden.
Freund wetzte unruhig auf seinem Stuhl hin und her.
»Ich muss Sie das der Vollständigkeit halber fragen. Er war ein reicher Mann. Wer erbt?«
Ihre Mundwinkel zuckten belustigt.
»Sagen Sie mir die Todeszeit, damit ich Ihnen ein Alibi geben kann?«
»Brauchen Sie eines?«
»Wenn Sie eines von mir brauchen …«
»Vorläufig nicht.«
»Na dann. Den Großteil erben seine drei Kinder. Die beiden aus erster Ehe, ich nehme an, Sie sind informiert, und Marlies. Das Erbe wird bis zu ihrer Volljährigkeit treuhändisch verwaltet. Für mich und seine andere Ex-Frau hat er auch eine gewisse Summe vorgesehen, damit wir die Kinder in ordentlichen Umständen aufziehen können. Dazu sind wir aber beide auch ohne dieses Geld in der Lage. Florian zahlte brav die Alimente und mehr, das Geld kommt aus einer Stiftung. Unterhalt brauchte und wollte
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