Wienerherz - Kriminalroman
auch in den schwierigen Bezirken sofort einen Abstellplatz fand. Nicht immer zur Freude der Autofahrer. Schon mehrmals hatte er seine Maschine umgestoßen wiedergefunden. Natürlich ohne Zettel des Verursachers. Er parkte das Zweirad direkt vor dem Haus.
Solveig Harnusson wohnte im siebten Bezirk, nicht weit von Lia Petzold. Die Tür öffnete ein brünettes Model, neben dem der Enddreißiger Dorin alt ausgesehen haben musste und das Spazier den Atem raubte.
Sie sprach mit einem leichten Akzent, aber fließend Deutsch.
»Meine Mutter war Österreicherin«, erklärte sie. »Ich studiere seit einem Jahr in Wien.«
Die Wohnung war nicht sehr groß, aber geschmackvoll und gemütlich eingerichtet. Harnusson bot ihm Tee an, den er gern nahm. Als er ihr erzählte, was geschehen war, begann sie zu weinen, fing sich aber schnell wieder. Spazier hätte sie gern in den Arm genommen.
»Entschuldigen Sie bitte«, schniefte sie. Warum er einen Selbstmord untersuchte, wollte sie wissen.
»Routine«, log er knapp.
Sie holte ein Taschentuch. Er stellte seine Fragen, auch nach dem Tagebuch, das Chefinspektor Freund erwähnt hatte. Sie hatte Dorin nie damit gesehen. Auch sonst erzählte sie ihm nichts Neues. Bis er sie fragte, ob sie jemanden kannte, der Dorin gern tot gesehen hätte.
»Mein Ex«, sagte sie. »Nun, vielleicht nicht tot, aber er hatte eine Mordswut auf ihn. Mordswut, so sagt man doch, oder?«
Er konnte nicht umhin, die Art, wie sie redete und wie sie sich bewegte, charmant zu finden.
»Haben Sie ihn wegen Dorin verlassen?«
»Nein. Es war nur zufällig zu der Zeit, als ich Florian kennenlernte. Bloß wollte Jo das nicht wahrhaben. Er warf mir vor, ihn für einen reichen alten Sack wegzuwerfen.«
»Wie hat sich seine Wut geäußert?«
»Durch wilde Beschimpfungen und laufende Anrufe, auch mitten in der Nacht, bis ich mir eine neue Handynummer besorgen musste. Zweimal hat er Florian und mir auch aufgelauert und uns obszöne Dinge an den Kopf geworfen. Zu Florian hat er gesagt, dass er ihn auch noch einmal erwischt.«
Spazier hatte nicht das Gefühl, dass ihr Ex sie damit sonderlich eingeschüchtert hatte. Sie bestätigte seine Vermutung, als sie fortfuhr: »Aber das hat er nicht ernst gemeint. Jo ist ein Großmaul, sonst nichts. Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich das herausgefunden habe. Das war auch der Grund, weshalb ich mich von ihm getrennt habe.«
Sie seufzte. »Ich habe eine Tendenz, auf großmäulige Schönlinge hereinzufallen.« Sie lächelte ihn an. »Aber ich bin jung. Noch habe ich Zeit zu lernen, nicht?«
Er lächelte zurück. Ich würde dir dabei gern Nachhilfe geben, dachte er, hütete sich aber, so einen Schwachsinn laut auszusprechen.
»Wann hat Ihr Ex Sie denn zuletzt belästigt?«
»Vor ein paar Tagen erst. Er hat vor meiner Wohnungstür auf mich gewartet, mir aufgelauert, muss man fast sagen, obwohl er eine Rose mitbrachte. Ich habe ihm zum tausendsten Mal erklärt, dass ich nichts mehr von ihm will und er mich in Frieden lassen soll. Er hat noch eine Zeit lang vor meiner Tür getobt, bis ich drohte, die Polizei zu rufen. Da ist er abgezogen.«
»Verfolgt er Sie? Ist er ein Stalker?«
Sie wiegte den Kopf.
»Ich hoffe nicht«, sagte sie.
Sie blickte zum Fenster hinaus, ihre Augen begannen zu glänzen. »Schade um Florian«, sagte sie schließlich leise. »Er war ein Netter.«
»War das zwischen Ihnen etwas Ernstes?«
Sie sah ihn an. »Keine Ahnung. Um das zu sagen, war es zu kurz. Wir kannten uns erst seit drei Monaten …«
Frisch verliebt.
»… und dann war da natürlich schon der Altersunterschied.«
Spazier hatte eine Bekannte, die zu Studienzeiten eine Weile lang mit einem fünfundzwanzig Jahre älteren Mann zusammen gewesen war. Er, fünfzig, erfolgreicher Unternehmer wie Dorin, bot der Studentin ein Leben, das sie so nicht kannte und genoss.
»Aber weißt du«, gestand sie ihm später, nachdem sie von dem Mann getrennt war, »auf Dauer reicht das nicht. Der Hintern von so einem Fünfzigjährigen, der ist halt schon ein bisserl schlaff.«
Spazier hatte sich nichts dabei gedacht. Und tat es immer noch nicht, auch jetzt, als er sich daran erinnerte. Er war ein Frühdreißiger, sportlich, kein Zentimeter wabbelte. Ob die Frau von Chefinspektor Freund ähnlich über ihren Mann dachte? Oder der neue Freund von Marietta Varic, den sie leugnete, weil er in Spaziers Alter war, obwohl alle davon wussten?
»Sagt Ihnen der Name Gundi Bielert etwas?«
»Nein. Wer soll das
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