Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wieweitdugehst - Wieweitdugehst

Wieweitdugehst - Wieweitdugehst

Titel: Wieweitdugehst - Wieweitdugehst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
Vom Netzwerk:
dieser eine Gedanke, dieses eine Wort: Hauptkommissar. Endlich. Seiner Mutter mal eins überbraten. Zeigen, hey, allen Unkenrufen zum Trotz, ich bin nicht in der Gosse gelandet. Zugegeben, das roch pubertär. Aber er kam aus dieser Falle nicht raus. Das Arbeiterkind war Beamter geworden. Was niemand je gewürdigt hatte. Wo er herkam, galten die alten sozialdemokratischen Ideale. Marek sah sich in der Espressobar um. Ohne Dr. Klug würde er hier nicht sitzen. In einen dermaßen überkandidelten Laden ging ein Marek Weiß nicht. So wurde das in der Familie gehandhabt, aus der er stammte, und den Stallgeruch kriegte er nicht los. Familie war die Keimzelle des Terrors. Er hatte sich das familiäre Umfeld des Opfers angesehen und eins und eins zusammengezählt.
    »Nur eine Person hat ein Motiv. Die Witwe des Mannes, der der Vater des ermordeten Jungen ist.«
    »Sie bekommen jegliche Rückendeckung von mir.« Dr. Klug griff nach seinem Mantel. Er legte zehn Euro auf den Tisch. »Halten Sie sich ran, wir wollen eine gute zweite Wiesn-Woche.«

23
    Ich hätte einen Pfarrer mitnehmen sollen, jemanden, der sich mit solchen Situationen auskannte. Nun stand ich mitten in diesem großen Haus, das zu riesig und unförmig für eine kleine Frau wie Liliana schien, auf einem beigen Teppichboden, zwischen cremeweißen Wänden, Bücherregalen, Pflanzen. Einem gemütlichen Zuhause, dem die Seele verloren gegangen war.
    »Frau Bachmann, Neta wird sich erholen.« Ich kam mir bescheuert vor. Was, wenn Neta starb? Wenn ich Liliana Hoffnungen machte, die sich nicht bewahrheiten würden? Verdammt, warum war ich in diese Geschichte hineingeraten? Warum hatte ich Neta meine Karte gegeben? Warum fesselte mich die Liebe dieser beiden Frauen so sehr? Ich hatte mit Juliane darüber sprechen wollen, als wir nach Innsbruck rauschten, aber dann hatte ich den Anfang nicht gefunden.
    »Wie ist das passiert?«, fragte Liliana zum dritten Mal.
    »Die Bremsen an ihrem Auto waren manipuliert. Jemand hat daran gedreht, früher oder später hätten sie versagt. Es hätte schlimmer kommen können.« Zum Beispiel auf einer Autobahn bei Tempo 160. Falls ein Twingo überhaupt so schnell fuhr.
    »Wer hat das gemacht?«
    »Die Polizei kümmert sich darum.«
    Seit 20 Minuten, seit ich gekommen war, standen wir im Wohnzimmer, ich wie festgewurzelt in der Mitte, Liliana am Fenster. Das hochgesteckte Haar rutschte ihr nach und nach in den Nacken. Sie achtete nicht darauf. Draußen war es mittlerweile dunkel. In ihren schwarzen Kleidern schien sie mit der Finsternis zu verschmelzen. Ich hörte einen Zweig gegen die Scheibe wischen. Der Wind hatte aufgefrischt. Eine deutliche Ahnung von Herbst lag in der Luft.
    »Setzen Sie sich!« Liliana wies auf das Sofa. »Möchten Sie etwas essen, etwas trinken?«
    Ich wollte ablehnen, aber dann dachte ich, dass Liliana etwas zu tun brauchte. Etwas für die Hände. Mir ging es immer so, wenn ich aus der Fassung geriet, und die Bewegung der Finger auf der Tastatur genügte dann nicht.
    »Kaffee wäre klasse.« Kaffee war immer das Erste, was mir einfiel.
    »Mit Milch? Zucker?«
    »Schwarz. Ohne alles.«
    »Dann haben wir etwas gemeinsam.« Liliana wischte die Tränen weg und ging in die Küche.
    »Schwarz wie die Nacht, heiß wie die Liebe und süß wie die Sünde«, rief ich ihr nach. Zum Teufel, wie war ich auf diesen Spruch gekommen?
    »Dieses geflügelte Wort hat mein verstorbener Mann gern benutzt«, sagte Liliana, als sie mit einem Tablett zurückkam. »Und ich habe erst sehr spät begriffen, was er damit meinte.«
    Was gibt es da zu begreifen?, dachte ich, verkniff mir die Bemerkung, und nahm dankend eine dampfende Tasse entgegen.
    »Mein Mann hatte eine Affäre. Es dauerte mehr als sieben Jahre, bis ich dahinterkam. Dann blieb mir die Spucke weg.« Sie hob die Tasse, als wolle sie mir zuprosten. »Ja. Süß wie die Sünde.«
    Kannst du nicht einmal diese neunmalklugen Bemerkungen sein lassen, Kea, schalt ich mich, und hörte die Stimme meiner Mutter. Spontisprüche stellten gerade jetzt absolut keine Hilfe dar. Andererseits: Affären waren an der Tagesordnung. Seltsam nur, dass ein Mann mit einer Frau wie Liliana an seiner Seite eine Affäre brauchte. Sie war intelligent, besaß Humor. Die hohe Stirn und das dicke Haar gaben ihrem Gesicht etwas von zeitloser Schönheit. Wenn die Trauer sich nicht über sie gestülpt hätte wie eine Kutte, würde man sie bestimmt öfter lachen sehen.
    »Kann ich Neta besuchen?«, fragte

Weitere Kostenlose Bücher