Wigges Tauschrausch
Grenzen gegangen und weiß, dass ich meine Strategie ändern muss. Die Idee, um jeden Preis ein Tuk Tuk eintauschen zu wollen, hat mich einfach zu sehr angestrengt. Anstatt in erster Linie vor Ort nach Tauschpartnern zu suchen, werde ich in Zukunft mehr auf meine Kontakte setzen. Schließlich habe ich schon beinahe siebzig Länder bereist und dadurch eine »Freundesliste« bei Facebook, die kürzlich die 500er-Marke überschritten hat. Freunde können in der Not helfen, warum sollten sie also nicht auch mir in dieser Situation helfen?
A ustralien
I ch bin in Perth – endlich! Der Flug nach Australien hat sich wirklich gut angefühlt. Nicht nur, weil ich nach meinem letzten erfolgreichen Tausch 75 Meter Seide bei mir habe, sondern auch, weil ich mir von diesem westlichen Land etwas mehr Geradlinigkeit und Rationalität verspreche. Das sollte mir nicht nur dabei helfen, meinen Tauschrausch erfolgreich weiter auszuleben, sondern auch meine gesundheitliche Angeschlagenheit, die sich in den letzten zwei Wochen eingestellt hat, in den Griff zu bekommen. Beim Arztbesuch in Mumbai und einem kurzen Krankenhausaufenthalt aufgrund meiner miesen Blutwerte konnte keine Ursache für meinen starken Durchfall gefunden werden. Meine Hoffnung ruht nun auf dieser westaustralischen Stadt.
Nachdem ich also meine tägliche Ration Antibiotika geschluckt habe, laufe ich durch die Stadt und kann ihre imposante, gläserne Skyline kaum genießen, da ich mindestens einmal pro Stunde wie vom Blitz getroffen durch die Straßen laufe und peinlich berührte Passanten mit »Toilette, Toilette, Toilette!« nerve. Während meines Besuchs in der Seidenfabrik und der beiden Tage im Slum von Dharavi war es ähnlich: Ich rede mit Leuten und versuche zu tauschen, und schwupps – weg bin ich wieder auf der nächsten Toilette. Inzwischen beunruhigt mich mein Zustandimmer mehr, da ich mich schrecklich schlapp, schwindelig und niedergeschlagen fühle. Ich mache mir Sorgen, ob ich mir vielleicht einen Wurm eingefangen habe, der gerade meine Organe langsam verschlingt und sich genüsslich überlegt, wo er als Nächstes hineinbeißen soll. Ich habe solche Reisegeschichten schon öfter gehört und muss selber über meine wilden Fantasien lachen, als ich an einem Sonntag in die Notaufnahmestation eines Perther Krankenhauses gehe. Übertreibe ich? Leider nicht. Der Arzt stellt fest, dass ich mir in Indien Parasiten eingefangen habe, die nur mit einer speziellen Tablettenmixtur aus meinem Darm entfernt werden können. Der Arzt warnt mich, dass mir ein unschöner Tausch bevorsteht: Parasiten gegen einige Nebenwirkungen. Da ich immer nach vorne schaue und mich auch vor unangenehmen Tauschangeboten nicht fürchte, stimme ich zu und schlucke alle vier Tabletten schnell hinunter. Nach zwei Tagen mit gewissen emotionalen Schwankungen ist alles überstanden. Die Parasiten haben das Tauschangebot angenommen und sind hoffentlich für immer verschwunden.
Endlich kann ich mich wieder der Seide widmen und führe den ersten Australiern mein wunderbares Tauschgut vor. Doch die meisten Passanten auf den Straßen von Perth winken ab. Sie scheinen spontan nicht zu wissen, was sie mit 75 Meter Rohseide anstellen sollen. Deshalb drehe ich ein kleines Werbevideo.
»Seide macht glücklich!«
In einer Sporthalle der Stadt lege ich die 12,5 Meter langen und zwei Meter breiten Seidenbahnen hintereinander, so dass eine bunte 75-Meter-Laufstrecke entsteht. Ichsprinte an dieser Laufstrecke im sportlichen Outfit entlang und stoppe meine Zeit: 8,7 Sekunden auf 75 Meter, fast so schnell wie damals im dritten Schuljahr bei den Bundesjugendspielen …
In einem Park der Stadt wickele ich mir die Seidentücher um den Hals und trage einen bunten Schal von sechzig Zentimeter Dicke. Die vorbeigehenden Australier amüsieren sich über diesen überdimensionalen, äußerst exzentrischen Seidenschal.
Dann spanne ich die Seidenlaken über zwei Parkbänke in der Stadt, so dass ich es mir darunter wie in einem Zelt gemütlich machen kann. Ich höre Passanten über die zunehmende Obdachlosigkeit in Perth tuscheln.
Jetzt folgt der Hüpfsack. Ich überrede eine junge Australierin, sich wie ich in die Seidentücher einzuwickeln und dann einen zwanzig Meter Hüpfwettkampf zu machen. Wir können beide unsere Beine nicht bewegen, da die Seidentücher zu eng und straff um unsere Körper gewickelt sind. Deshalb falle ich schon nach drei Metern um und sehe die Australierin lachend an der Ziellinie stehen.
Und
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