Wikinger meiner Traeume - Roman
Einfach albern, hier zu liegen wie ein Häufchen Elend, das Kissen mit heißen Tränen zu benetzen. Wütend auf sich selbst, hob sie den Kopf und wischte ihre Wangen ab.
Er würde nicht zu ihr kommen, das war mittlerweile offensichtlich. Stattdessen saß er unten in der Halle, trank mit Hawk und den anderen, und wahrscheinlich vergnügte er sich sogar in den Armen einer willigen Magd. Großer Gott, wie weh dieser Gedanke tat! Stöhnend setzte sie sich auf, schlug mit beiden Fäusten ins Kissen, dann erstarrte sie plötzlich, denn sie hörte leise Schritte im Flur.
Nur Einbildung... Oder ein Dienstbote...
Die Schritte näherten sich.
Langsam und zögernd.
Nun schwang die Tür auf.
Hastig schlüpfte Rycca unter die Decke und schloss die Augen, zwang sich, tief und gleichmäßig zu atmen.
Schlafen – träumen – keinen Kummer kennen...
Jetzt stand Dragon neben dem Bett, und sie fühlte seinen prüfenden Blick. »Sehr gut«, murmelte er.
Wie ein Messer stachen die Worte in ihre Brust. Fand er es angenehm, dass sie schlummerte? Damit er sich nicht mit ihr abgeben musste? Seine Stimme klang müde. Nicht, dass sie sich deshalb sorgte.
Er ging zum Waschtisch, und sie vernahm plätschernde Geräusche. Bald danach raschelten Kleider. Auf der anderen Seite des Betts wurde die Decke gehoben, die Matratze senkte sich. Rycca hielt die Luft an, wartete...
Und wartete. Das Bett war ungewöhnlich breit. Mindenstes eine Armeslänge trennte sie von ihrem Mann. Sie nahm nicht einmal seine Körperwärme wahr. Ein- oder zweimal bewegte er sich, dann lag er reglos da.
Also wirklich, warum machten die Leute so viel Aufhebens um Hochzeitsnächte? Man sollte meinen, da würde sich etwas ganz Besonderes ereignen.
Wenigstens weinte sie nicht mehr. Wegen dieser beklagenswerten Neigung, die sie in letzer Zeit entwickelt hatte, verachtete sie sich selbst. Schluss damit. Weder Dragon noch sonst jemand durfte ihr anmerken, wie verletzt sie war, welche Reue- und Angstgefühle sie peinigten. Stolz erhobenen Hauptes wollte sie alles hinnehmen, was ihr die Zukunft bringen mochte.
Obwohl sie fürchtete, sie würde kein Auge zutun, wurde sie allmählich von ihrer Erschöpfung überwältigt, die das Leid verdrängte. An ihren Lidern schienen bleischwere Gewichte
zu hängen. Zweimal nickte sie ein und wehrte sich dagegen. Beim dritten Mal nicht mehr.
So glücklich war Dragon nicht. Stundenlang lag er hellwach neben seiner Gemahlin, lauschte ihren rhythmischen Atemzügen und schalt sich einen Narren. Die Fehler, die er begangen hatte, ließen sich mühelos aufzählen. Zuerst hatte er sich bereit erklärt, ein fremdes Mädchen zu heiraten. Gewiss, in der lobenswerten Absicht, dem Frieden zu dienen. Aber er hätte seine Braut selber aussuchen sollen. Dann hatte er darauf verzichtet, Rycca of Wolscroft vor der Hochzeit kennen zu lernen – aus Feigheit, wie er sich ehrlich eingestand, aus Angst vor einer Enttäuschung. Und dann – am allerschlimmsten – war er gar nicht auf den Gedanken gekommen, die rothaarige Schönheit, auf der Flucht durch englische Wälder, könnte vor ihm davonlaufen. Dass er nicht der erste Mann war, der seiner Eitelkeit zum Opfer fiel, tröstete ihn nicht.
Aber was hätte er erwarten dürfen? Im richtigen Leben ging es anders zu als in jenen Märchen, wo sich immer alles zum Guten wendete. Die Wirklichkeit war unsicher und launisch, weil die Götter ihr heimtückisches Spiel mit dem Los der Menschen trieben. Benahm sich der Christengott genauso? Offenbar hatte er dem liebenswürdigen Vater Desmond zu aufmerksam zugehört. Der Priester wirkte jedenfalls sehr überzeugend.
Steckte tatsächlich ein tieferer Sinn hinter allen Ereignissen, jenseits von Kämpfen und Sorgen?
Und wenn Gott ein Skalde war? Wenn der Lauf dieser Welt der regen Fantasie eines himmlischen Märchenerzählers entstammte?
Dragons Kopf schmerzte. Das verdankte er dem Wein. Aber so viel hatte er gar nicht getrunken.
Welch eine Geschichte – die unglückliche Braut, der enttäuschte
Bräutigam, zum Wohl ihrer beiden Völker aneinander gekettet... Was mochte daraus werden?
Wenn er mit Rycca in Landsende eintraf, würde sich die Situation bessern. Dort würde sie ihren eigenen Haushalt führen. So etwas gefällt den Frauen, überlegte er. Wie ein unfehlbarer Kenner des weiblichen Geschlechts fühlte er sich zwar nicht mehr, aber sie musste doch froh sein, weil sie Lord Wolscroft, ihrem widerlichen Vater, entronnen war. Bis zur Ankunft in ihrer
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