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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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liegen schienen. Rasch konzentrierte ich mich wieder auf meine Hände, das einzige Vertraute in dieser Umgebung. Mir war ein wenig übel, als ich schließlich feststellte, dass wir gelandet waren und sich nichts mehr bewegte. Die Toten wurden rausgetragen.
    »Hallo? Savannah, schläfst du?«, rief jemand ungeduldig.
    »Meine Schwester ist gleich so weit.« Martys Stimme.
    Ich blickte auf. Seine blauen Augen waren ernst. Er wirkte verwirrt und verletzlich.
    »Komm«, sagte er, und ich folgte ihm nach draußen.
    In der Geschäftigkeit auf dem Platz gelang es uns, weiterzulaufen, obwohl jemand hinter uns unsere Namen rief. Seinen richtigen. Meinen falschen.
    »Marty! Savannah!«
    Doch Marty packte mich an der Hand und zog mich weiter, er rief: »Komm, komm mit«!
    Mein aufgewühltes Gemüt brauchte eine Weile, um die Umgebung überhaupt wahrzunehmen. Über uns der weite Himmel, graue Wolken schoben sich über das Blau. Niedrige, flache Gebäude. Eine Straße vor uns. Und dort, wohin wir liefen, waren noch mehr Häuser. Häuser, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Nichts war hier so bunt wie in der City. Dunkle Klötze, schimmernd, schwarz wie die Nacht. Lichtmuster liefen über die Oberfläche. Fenster spiegelten den Tag. Grüner Rasen aus echtem Gras, dicht und weich wie ein Samtteppich, Büsche, doch nicht wie ich sie vom Wald her kannte, sondern akkurat in eckige Formen geschnitten. Mauern, so niedrig, dass man darüber springen konnte, aber ich war mir ziemlich sicher, dass hier niemand über den Rasen lief und auf den Mauern balancierte.
    »Papa war da, auf dem Landeplatz«, sagte Marty. »Er hat uns gesehen, aber bis er hier ist, haben wir noch ein paar Sekunden. Wo ist meine Schwester? Was ist mit ihr passiert?«
    Flehend starrte er mich an.
    »Savannah ist deine Schwester?« Ich starrte zurück. Es fiel mir schwer, den kranken Jungen, der sich vor dem Sterben gefürchtet hatte, mit diesem kleinen Jäger in Verbindung zu bringen. Nur vom Anblick seiner dunklen Tracht wurde mir übel. Doch sein Gesicht war, obwohl blass und schmal, immer noch ein Kindergesicht.
    »Was hast du in dem Hubschrauber gemacht?«, fuhr ich ihn an. Ich packte ihn bei den Schultern, schüttelte ihn. »Verdammt, Marty!«, schrie ich. »Was hast du in dem Hubschrauber gemacht, verflucht, was hast du mit den Jägern zu schaffen?«
    »Wo ist Savannah?«, wiederholte er, seine Stimme wurde weinerlich.
    Hinter uns öffnete sich eine Tür in einem der spiegelnden Quader.
    »Was ist hier los? Marty, du bist zurück?«
    Diesen jungen Mann kannte ich ebenfalls aus dem Genesungshaus. Damals schon hatte er mich nicht beachtet, und auch jetzt hatte er zunächst nur Augen für Marty. »Ist es gelaufen, wie du wolltest?« Doch diesmal war die Stimme des Blonden nicht freundlich, so wie im Genesungshaus, sondern scharf und zornig. »Ist es das?«
    Dann wandte er sich mir zu. »Du machst mich krank, Savannah. Was hast du dir dabei gedacht, ihn mitzunehmen. Reicht es nicht, dass du …« Im selben Moment, während ich hastig zurückwich, bemerkte er seinen Fehler. »Du bist nicht … He, warte!«
    Doch da rannte ich schon.
    Waren wir wirklich in Neustadt? Nichts war mir hier vertraut. Eine Straße, geschwungen wie das Ufer des Sees. Gras, kurz und seidig glänzend wie ein Teppich aus Moos unter den Bäumen. Häuser wie Steine, wie mächtige Würfel, in Schwarz und Grau und Weiß, marmoriert, rötlich, Häuser aus Marmor oder Granit, mit kühlen, glatten Kanten. Ich lief, so schnell ich konnte, denn irgendwo musste ein Ausweg sein, musste es hinausgehen aus dem Labyrinth.
    Wo waren die Türme der City?
    Hinter den Häusern leuchtete Grün, Grün und nochmals Grün.
    Das Agrarland.
    Die Regs hatten ihre eigene Siedlung im Agrarland, inklusive Gras und Blumen.
    Ich hatte keine Zeit, zu lachen oder zu weinen. Die Schritte hinter mir verstummten nicht, wurden nicht leiser. Mein Verfolger war schnell. Wieder rannte ich um eine Ecke, doch er sprang einfach über das Gras und die Mauern und packte mich. Wir gingen gemeinsam zu Boden, und er drückte mich auf die Straße, auf den harten Asphalt, und selbst jetzt, in seiner Wut, konnte er nicht damit aufhören, schön zu sein. So hübsch wie Moon, wie Savannah, wie eine männliche Variante der beiden, ein Kind aus einer Schublade hinter den Stahltüren, dachte ich vage, während sich seine eisblauen Augen auf mich richteten.
    »Wer bist du? Was hast du mit …« Und dann erkannte er mich plötzlich. »Du bist das

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