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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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hätte, und Dankbarkeit darüber, dass ich ihn daran gehindert hatte.
    Und der Plan in meinen Augen, meine wütende Entschlossenheit, spiegelte sich ebenfalls in seinem Gesicht.
    Er nickte. »Ziehen wir sie aus.«
    »Was …?«, begann Gabriel.
    »Wir behalten sie, als Geisel«, sagte Orion. »Irgendwo in ihren Kleidern ist der Ortungschip. Ziehen wir sie aus. Rasch.«
    Ich vergaß jedes Schamgefühl, als ich die Schuhe abstreifte und aus meiner graubraunen Hose schlüpfte. Gabriels Blick streifte mich – jetzt verstand auch er.
    »Das kannst du nicht tun, Pia«, sagte er. »Die bringen dich um. Sie werden alles, was du weißt, aus dir herauspressen. Alles über uns.«
    »Ich weiß nicht besonders viel«, sagte ich, während ich mir die enge schwarze Hose über die Hüfte zog, »und ihr zieht sowieso weiter.«
    »Ich sollte gehen.«
    »Dich werden sie nicht mal von weitem für ein Mädchen halten.« Ich sagte nicht, was auf der Hand lag: dass die Regs mich, wenn sie mich erwischten, vielleicht einfach nach Hause brachten. Während sie Gabriel zweifellos hinrichten würden.
    Ich nahm ein Kleidungsstück nach dem anderen entgegen. Orion setzte mir den Helm auf und musterte mich kritisch, dabei wusste ich selbst, dass ich dem fremden Mädchen nicht im Geringsten glich. Nichts auf der Welt würde mich aussehen lassen wie Moon. Mein Gesicht unter dem Helm konnte niemanden täuschen, aber vielleicht gelang es mir, mich im Hintergrund zu halten.
    Orion bückte sich und schmierte mir Erde auf die Wangen und die Stirn. Die junge Jägerin, nur noch in Unterwäsche, ächzte leise, sie rang immer noch um Atem, ihre Finger gruben sich durch Erde und Laub, als wollte sie sich in den Waldboden wühlen, um uns zu entkommen.
    Ein letztes Mal riefen die anderen Jäger nach Savannah.
    Ich spürte Orions Hände auf meinen Schultern.
    Gabriel weinte nicht mehr. Etwas Hartes, Wildes glänzte in seinen Augen, aber er versuchte nicht, mich zurückzuhalten.
    Ich rannte los, die schwitzende, kalte Hand um das Gewehr gekrallt.

30.
    Der zweite Tote wurde hoch in den Hubschrauber gezogen. Ich erreichte die Regs, als der starre Leichnam im Inneren der schwarzglänzenden Kabine verschwand. Die beiden Jäger warteten auf mich, sie lächelten erleichtert, als ich zwischen den Bäumen hervortrat. Sahen nicht gut genug hin, um die Täuschung zu erkennen. Menschen erblicken nur das, wonach sie Ausschau halten. Und welcher Neustädter hätte erwartet, dass die Wilden auf solche verrückten Ideen kamen?
    Da senkte sich wieder etwas aus dem Hubschrauber herab, eine Art Gondel, die schwingend durch die Baumwipfel nach unten fuhr. Sie war klein, nur für eine Person gedacht.
    Einer nach dem anderen wurden wir nach oben gezogen. Ich war als Nächste dran. Seltsamerweise war ich ganz ruhig, während die Erde sich unter mir immer weiter entfernte. Der See leuchtete wie ein Stück Himmel. Von oben waren die Bäume ein herbstgoldener Teppich, von roten und grünen Flecken unterbrochen.
    Mein Herz klopfte etwas schneller, doch alle anderen Gefühle waren verschwunden, selbst meine klaren Gedanken versteckten sich. Falls ich auf intelligente Vorschläge gehofft hatte, wurde ich enttäuscht. Ich war völlig auf mich gestellt.
    Das Innere des Hubschraubers rückte näher, der Lärm wurde ohrenbetäubend, und schon waren da ein paar starke Hände, die nach mir griffen und mich ins Innere der Kabine zogen. Ich landete auf dem Rücken, drehte hastig das Gesicht zur Seite. Streckte den Daumen in die Höhe, zum Zeichen, das alles glatt gelaufen war, und rettete mich auf einen Sitz, der möglichst weit vom Piloten entfernt war.
    Vor mir lagen die beiden Toten, in Decken eingewickelt. Und mir gegenüber saß ein Kind in einem schwarzen Jägerkostüm. Weiches blondes Haar. Augen, blau wie der See unter uns.
    Marty Mozart. Der Junge aus dem Genesungshaus, der Sohn des Glücksministers.
    Während des Flugs saß ich da, stumm wie die anderen, und war dankbar für das Dröhnen, das es unmöglich machte, sich zu unterhalten. Ich hatte die Ellbogen auf den Knien aufgestützt und das Gesicht in den Händen verborgen. Trotzdem wusste ich, dass Marty mich beobachtete. Dass er mich erkannt hatte.
    Er schwieg. Und so schwieg ich auch, wartete, wagte nicht zu hoffen, versuchte, nichts zu fühlen.
    Nichts.
    Mein Magen machte ein paar Sprünge, während die fliegende Höhle uns durch die Luft trug. Sich schließlich senkte. Durchs das Fenster sah ich Häuser, die auf der Seite zu

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