Wild und frei
Kerker von den kräftigen bronzefarbenen Armen umklammert dastand. Mühsam bahnte er sich seinen Weg durch die herumstehenden Kisten und Fässer.
“Rowena, Kind …” Er umklammerte verzweifelt die Gitterstäbe und sah mit einem Mal schrecklich erschöpft und alt aus.
“Der Wilde hat mir nichts getan, Vater, und
wird
mir auch nichts tun, so Gott will”, sagte Rowena schnell. “Aber wenn es Eure Absicht ist, ihn noch länger diese schrecklichen Eisen tragen zu lassen, könnt Ihr ihn genauso gut gleich töten und es hinter Euch bringen!”
Sir Christopher hatte seine Sprache wiedergefunden und fuhr sie an: “Sei still! Du hättest auf mich hören und mir diese Angelegenheit überlassen sollen. Dann wäre uns beiden vieles erspart geblieben!”
“Vater?” Rowena beobachtete verblüfft, wie er einen kleinen Metallgegenstand aus einer Tasche in den Falten seines Gewandes hervorholte. Sie traute ihren Augen nicht, als sie erkannte, was es war.
“Der Schlüssel”, sagte er. “Der Kapitän, der mir diese elende Kreatur verkaufte, hat ihn mir gegeben.” Er warf Thomas einen ärgerlichen Blick zu. “Öffne das Verlies.”
Die Kette hing nur noch schlaff um Rowenas Hals, als der Wilde auf den Schlüssel starrte. “Gib ihn mir”, forderte sie. “Er traut mir – soweit er hier überhaupt jemandem vertraut.”
“Das sehe ich.” Sir Christopher blickte sie durchdringend an. “Schweig! Du hast bereits genug Schaden angerichtet.” Er betrat das Verlies. “Lass … sie … gehen”, verlangte er, als ob langsames Sprechen ihn verständlicher machte. “Dann … wir … benutzen … dies.” Er hielt den Schlüssel hoch, sodass das lodernde Fackellicht auf die abgegriffene Bronze fiel.
Die Hand des Indianers schnellte vor. Aber Sir Christopher hatte diese Bewegung vorausgesehen. Er wich zurück und brachte sich in Sicherheit.
“Nein”, sagte er. “Du lässt sie gehen. Gib sie frei.”
Black Otter betrachtete den alten Häuptling argwöhnisch – den alternden Körper, gebeugt und gebrechlich unter dem düsteren schwarzen Talar, die schielenden Augen hinter etwas, das wie durchsichtige Muscheln aussah. Durfte er dem alten Mann trauen? Black Otter hatte bisher nur Grausamkeit von den weißen Männern erfahren. Wie konnte er da etwas anderes von ihrem Häuptling erwarten?
Aber warum sollte er sich darüber Gedanken machen? Alles, was er brauchte, war eine Geisel, und der Häuptling wäre noch viel wertvoller als die Frau. Mit dem alten Mann als Gefangenem konnte er alles verlangen, was er wollte, selbst die Rückreise in seine Heimat.
Langsam und vorsichtig löste Black Otter die Umklammerung, mit der er Rowena festgehalten hatte. Sie stolperte zur Seite. Der alte Häuptling funkelte sie kurz an und stieß einen barschen Befehl hervor, wahrscheinlich wies er sie an zu gehen. Stattdessen wandte sie sich rückwärts zu den Gitterstäben und kauerte sich dort nieder, ihre Röcke um sich herum ausgebreitet. Die beiden waren Vater und Tochter, erkannte Black Otter jetzt, als er von einem stolzen Gesicht zum anderen sah. Gut zu wissen, dachte er, wenn die Zeit für Verhandlungen gekommen ist.
Der alte Häuptling kam langsam auf ihn zu. Black Otter stand bewegungslos da und wartete. Er hatte den Schlüssel für seine Fesseln niemals zu Gesicht bekommen, denn er war bewusstlos gewesen, als die Eisenbänder sich um seine Gliedmaßen geschlossen hatten. Tief in seinem Innern jedoch war er sicher, dass dieser Schlüssel genau in das Schloss passte.
In der Stille, die nun auf dem unterirdischen Raum lastete, hörte er wieder das schwache Tropfgeräusch des Wassers und seinen eigenen Herzschlag. Er stand reglos da und hielt den Atem an, als der Alte mit den knotigen Fingern den Schlüssel in die winzige Öffnung des Schlosses steckte. Der verborgene Mechanismus knackte, und der Bügel sprang auf.
Die Frau zog hörbar die Luft ein, als das Eisenband sich öffnete, abfiel und das rohe Fleisch von Black Otters Handgelenk freigab. Der alte Mann beeilte sich nun, den Schlüssel in das zweite Schloss zu stecken. Eine rasche Drehung, und beide Hände waren frei. Black Otter war, als schossen glühende Flammen in seinen Armen empor, als strömte das Blut in die lange abgeschnürten Adern. Er ballte die Hände zu Fäusten, um nicht vor Schmerz schreien zu müssen. Bald würde er frei sein. Bald …
Der alte Häuptling richtete seinen Blick nach unten auf Black Otters Beine. Um die Eisen an den Fußknöcheln zu lösen,
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