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Wild und frei

Wild und frei

Titel: Wild und frei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lane
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müsste er auf seine arthritischen Knie sinken, und dann könnte er sich nicht gegen Angriffe von oben wehren. Noch während der alte Mann zögerte, nahm Black Otter eine Bewegung in der Ecke des Verlieses wahr und hörte die Stimme der Frau.
    “Lass mich das machen, Vater.” Ohne auf eine Antwort zu warten, entriss sie dem Alten den Schlüssel und kniete sich auf den Boden. Black Otters Fußknöchel hatten noch mehr unter den scheuernden Eisen gelitten als seine Handgelenke. Sie waren angeschwollen, wund gerieben und entzündet. Er wartete ruhig mit zusammengebissenen Zähnen und wappnete sich gegen den Schmerz, der nun unweigerlich kommen würde.
    Ihre blassen Hände fühlten sich kühl und sanft an, wie Blütenblätter auf seinem gepeinigten Fleisch.
Rowena.
Ihr Name hallte in ihm wider, als sie sich daranmachte, das Schloss zu öffnen. Ein Name mit einem Klang so zart und weich. Nein, dieses arglose Geschöpf würde er nicht töten. Auch den alten Häuptling, ihren Vater, würde er am Leben lassen. Sie waren freundlich zu ihm gewesen und er, ein Lenape-Krieger, war seiner Ehre verpflichtet. Aber jene krötengesichtigen Feiglinge, die ihn in dieses dunkle Loch gezerrt hatten – ja, sie würden die Rache eines Kriegers zu spüren bekommen. Er würde zuschlagen ohne …
    Black Otter krümmte sich in unerträglicher Qual, als das eiserne Band sich von seinem Knöchel löste und scheppernd auf den Steinboden fiel. Der Schmerz durch das zurückströmende Blut durchschnitt sein Bein auf ganzer Länge bis hinauf zur Leiste so glühend und heftig wie ein Messer. Nur die Selbstbeherrschung des Kriegers hielt ihn davon ab, laut aufzuschreien.
    Er wusste, das letzte eiserne Band würde das schlimmste sein. Während der drei langen Monde seiner Gefangenschaft hatte sich das rostige Eisen in sein geschwollenes Fleisch gefressen und übel riechende Gifte abgesondert, die wie Schlangengift in sein Blut sickerten – Gift, von dem er wusste, dass es ihn töten würde, wenn die Eisen nicht abgenommen und die Wunden mit heilenden Kräutern behandelt wurden – wenn er sie nur finden könnte. Aber wo in diesem verfluchten Land …?
    Gerade als er bei dieser Überlegung angekommen war, sprang das rostige Schloss auf. Die Schmerzen, die ihn augenblicklich durchfuhren, waren so unaussprechlich qualvoll, dass er nicht anders konnte, als Schande über sich zu bringen und aufzustöhnen. Ihm brach der Schweiß aus und strömte über Schläfen und Wangen, als er sich darüber klar wurde, was das bedeutete.
    Er war frei.
    Ihn übermannte der Drang loszulaufen – diese lächerlichen Leute zur Seite zu stoßen, zu flüchten, die Treppe hinauf und fort aus diesem riesigen, muffigen Kaninchenbau von einem Haus, um endlich wieder frische Luft zu atmen und den blauen Himmel zu sehen, um an die Küste zu gelangen …
    Die Tür zu seinem Verlies war angelehnt. Sein Verstand setzte aus, als er die Tür aufriss, den stämmigen Mann niederschlug und zur Treppe stürzte. Hinter sich hörte er die Rufe des alten Häuptlings, aber seine Stimme wurde übertönt von dem tosenden Geräusch, das Black Otters Kopf erfüllte, ein Geräusch wie das Donnern der Meereswellen in einem gewaltigen Sturm.
    Über ihm, neben der Treppe, flackerte die Fackel in ihrer Halterung an der Wand. Wenn er sie erreichen könnte, hätte er eine Waffe – eine Waffe, die er wie eine Keule schwingen oder ins Stroh werfen konnte, um den verhassten Wigwam in Brand zu setzen.
    Er kämpfte sich nach oben, sein Kopf dröhnend, seine Gliedmaßen von heftigen Schmerzen durchdrungen. Das Feuer der Fackel nahm seine Vorstellung gefangen, das Licht war von einem übernatürlichen Schimmern in Grün und Violett umgeben. Er versuchte, nach oben zu reichen, um sie zu greifen, aber seine Arme erschienen ihm schwer wie Baumstämme, und plötzlich wollten seine Beine ihn nicht mehr tragen. Das Tosen in seinem Kopf wurde stärker, und nun versank er darin wie ein Schwimmer in den dunklen Fluten. Er kämpfte dagegen an, doch es zog ihn tiefer und tiefer hinab, bis er nichts mehr spürte und ihn nur noch Dunkelheit und Stille umgaben.
    Rowena raffte ihre Röcke und drängte sich an ihrem Vater vorbei, um die Treppe hinaufzustürmen, dorthin, wo der Wilde unter der Fackel niedergestürzt lag.
    “Geh nicht zu ihm, Rowena!” Die Stimme ihres Vaters hallte von den nasskalten Wänden wider. “Überlass die Bestie mir und Thomas.”
    “Damit ihr ihn wieder in das Verlies werfen könnt, wo er an

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