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Wild und frei

Wild und frei

Titel: Wild und frei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lane
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Thomas und Dickon nur? Wenn sie nun etwas Böses im Schilde führen …”
    Wie aufs Stichwort erschienen die beiden Männer gerade in diesem Augenblick am Kopf der Treppe. Dickon trug die Ebenholztruhe, in der Rowena ihre Heilkräuter und Salben aufbewahrte.
    “Beeil dich!”, sprach sie leise, und dennoch hallte der Klang ihrer Stimme im Treppenhaus wider. “Stell die Truhe hin, Dickon! Du musst mir helfen, ihn nach oben zu tragen!”
    Dickon tat, wie ihm befohlen, aber sein Gesicht war aschfahl vor Angst, als er die Steinstufen heruntertappte.
    “Hab keine Furcht”, redete Rowena ihm gut zu, obwohl sie unter ihrem ruhigen Äußeren selbst verrückt vor Sorge war. “Nur beeil dich bitte – bei allen Heiligen, beeil dich!”
    Rowena ließ sich auf einen niedrigen Stuhl neben dem Feldbett sinken, denn sie war zu müde, um noch länger zu stehen. Vereinzelte Strahlen der Nachmittagssonne fielen durch das hohe, vergitterte Fenster des kleinen Raumes direkt auf das blutleere Antlitz des Wilden. Den ganzen Tag hatte sie bei ihm gewacht, während das Fieber in ihm tobte. Zuweilen schlief er wie ein erschöpftes Kind, dann wieder murmelte er Unverständliches. Hin und wieder schlug er die Augen auf, aber in ihrer dunklen Tiefe war nichts als Verwirrung zu erkennen. Er schien ihre Anwesenheit nicht wahrzunehmen und hatte sich in seinen fiebrigen Albträumen verloren.
    Vom Flur her konnte Rowena das gleichmäßige Schnaufen und Keuchen hören, das Thomas beim Schnarchen von sich gab. Sir Christopher hatte ihn als Wache außerhalb des Krankenzimmers postiert. Eine unnötige Vorkehrung, genau wie die Leinenbänder, mit denen der Wilde am Bett festgebunden war. Der Wilde war zu krank, um aufstehen oder gar gehen zu können. Und wäre es anders, das wusste Rowena genau, würden alle Stricke und Wachen der Welt nicht ausreichen, ihn festzuhalten.
    Sie goss frisches Wasser in eine Zinnschüssel, feuchtete ein Tuch an und betupfte damit sein glühendes Gesicht. Was für faszinierende Züge er doch hat, dachte sie. In ihrer Wildheit erinnerten sie an einen Adler. Die Wangenknochen waren scharf hervorstehend unter glatter olivfarbener Haut, die Augen tief liegend, die Lippen schmal und sinnlich und das Kinn markant. Sie hielt inne, als sie mit dem Tuch die Stelle mit den fliegenden Vögeln auf seiner Stirn berührte. Was war er für ein Mann gewesen in jener weit entfernten Welt, aus der man ihn so grausam fortgerissen hatte? Ein Krieger? Ein Stammesführer? Jawohl, ein geborener Adliger. Sie vermochte sich ihn nicht als etwas Geringeres vorzustellen.
    “Alles unverändert mit dem Wilden?” Ihr Vater hatte den Raum so leise betreten, dass Rowena beim Klang seiner Stimme erschrak. Sie blickte auf und begegnete seinem besorgten Blick, dann schüttelte sie den Kopf.
    “Eigenartig, wie schnell das Fieber ausgebrochen ist”, sagte sie. “Es war fast, als ob die Fesseln es aufgehalten hätten – aber das ist wohl kaum möglich, oder? Eher hätte er seine Hände und Füße verloren.”
    “Ich nehme an, dass du keinen Erfolg mit deinen Kräutern und Salben hast?” Rowena wusste, dass Sir Christopher nicht viel hielt von den Kräutern, die sie im Moor sammelte, um sie in einem Mörser zu zerstoßen und mit Talg oder Weingeist zu vermischen. Diese Mittel hatten ihren Nutzen schon bei kranken und verwundeten Tieren bewiesen, aber sie hatte sie noch nie zuvor bei einem Menschen angewandt.
    “Ich habe ihm Umschläge von gekochter Schwarzwurz gemacht und sie mit Leinen um seine Handgelenke und Fußknöchel gewickelt – ach ja, und ich habe es geschafft, ihm eine halbe Tasse Pfefferminztee einzuflößen, ehe er sich dagegen gewehrt hat.”
    “Gegen solches Zeug würde sich jeder Mann wehren, der weiß, was schmeckt”, spottete Sir Christopher. “Pfefferminztee, dass ich nicht lache! Ein Krug kräftigen Bieres wäre besser für ihn!”
    Rowena sah ihren Vater scharf an. “Na also, zumindest nennt Ihr ihn jetzt einen Mann! Das ist schon ein Fortschritt. Vielleicht sollten wir einen Doktor rufen, der sich seine Wunden ansieht.”
    “Einen Doktor?” Sir Christopher räusperte sich. “Damit die ganze Grafschaft, wenn nicht gar halb England davon erfährt, wem wir hier Unterschlupf gewähren? Meine Liebe, die Hexenjagd, die diese Entdeckung zur Folge hätte, wäre unser aller Untergang!”
    “Daran hättet Ihr denken sollen, bevor Ihr jene Banditen angeheuert habt, um einen Mann aus seiner Heimat zu entführen!”, fuhr Rowena ihn

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