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Wild und frei

Wild und frei

Titel: Wild und frei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lane
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haften bleiben und deine zukünftigen Aussichten ruinieren …”
    “Ihr meint, meine Aussichten, mich standesgemäß zu verheiraten, von einer guten Partie ganz zu schweigen?” Rowena brachte ein bitteres Lachen zustande. “In meinem Alter, Vater, braucht man darauf wohl kaum noch Rücksicht zu nehmen!”
    “Hast du denn eine so geringe Meinung von dir?” Sir Christopher sah sie über seine dicken Brillengläser hinweg verärgert an und tat diese Äußerung dann mit einer ungeduldigen Handbewegung ab. “Mach dir nichts draus! Du würdest es schaffen, mich mit deinen Argumenten hinzuhalten, bis die Hölle zufriert, aber ich werde meine Meinung nicht ändern! Fort mit dir, ehe ich Thomas befehle, dich in deine Kammer zu schaffen und einzuschließen!”
    “Vater …”
    “Nein, Rowena. Es gibt für dich im Haus genug andere Dinge zu tun, die genauso wichtig sind wie die Pflege dieses armen Indianers. Geh jetzt und überlass ihn mir. Du darfst unter keinen Umständen diesen Raum wieder betreten!”

5. KAPITEL
    Die goldenen Flammen flackerten mit ihren azurblauen Spitzen im warmen Dunkel des Wigwams. Schatten tanzten auf den Innenwänden und spielten auf dem Rahmen aus Weidenholz und seiner Auflage aus gewebten Schilfmatten. Der köstliche Duft des Lachses, der auf einem Bett aus grünen Weidenzweigen über den Kohlen briet, breitete sich in der Abendluft aus.
    Auf einem Polster aus weichen Biberpelzen saß Black Otter mit überkreuzten Beinen auf dem Boden seines Wigwams, seine Kinder zu beiden Seiten an ihn geschmiegt. “Erzähl uns die Geschichte, die du im Dorf der Wampanoag gehört hast, Vater”, bettelte Singing Bird, “die Geschichte von den großen Walen.”
    Black Otter nahm ein wenig Tabak aus der Eichhörnchenfelltasche, die er um den Hals trug, stopfte ihn in den Kopf seiner Tonpfeife und zündete sie mit einer Kohle an, die er von der Feuerstelle genommen hatte. Der milde Rauch stieg nach oben, als er zunächst schweigend seine Pfeife paffte und dann sprach.
    “
Es geschah vor langer Zeit, dass der Stamm der Wampanoag zu der Insel wanderte, wo viele von ihnen noch bis zum heutigen Tag leben, angeführt von einem weisen und guten Riesen namens Maushop. Viele Jahre lebten sie dort in Frieden, aber dann hatte Maushop eines Nachts einen furchtbaren Traum.”
    “
Was war das für ein Traum?”, fragte Swift Arrow, obwohl er die Geschichte schon unzählige Male gehört hatte.
    “
Der Traum handelte von weißen Männern, die eines Tages in dieses Land kommen und schweres Unheil über das Volk bringen würden. Maushop war so beunruhigt durch den Traum, dass er sich entschloss, ins Meer zu fliehen. Er forderte den Stamm auf, ihm zu folgen.”
    “
Sind sie ihm gefolgt, Vater?”
    “
Einige taten es. Und als das Wasser ihre Körper bedeckte, verwandelten sie sich in riesige Wale und schwammen fort, während die anderen zurückblieben.”
    “
Kamen die weißen Männer tatsächlich?” wollte Swift Arrow wissen.
    “
Bisher nicht. Aber sie werden kommen. Wir haben ihre großen Kanus schon auf dem Wasser gesehen.”
    “
Werden sie hierher kommen?” Singing Bird drängte sich dicht an ihren Vater.
    Black Otter schloss die Augen und zwang sich, seine Ängste zu verdrängen um diese seine Kinder und um alle Lenape, an denen er mit seinem ganzen Herzen hing. “Vielleicht werden sie kommen”, antwortete er. “Aber unsere Krieger werden bereit sein. Sie werden euch schützen – ich werde euch mit aller Kraft beschützen, meine Kleinen.”
    Mit aller Kraft …
    Der Traum verschwand, als Black Otter unvermittelt das Bewusstsein wiedererlangte. Er riss die Augen auf, aber die Pupillen verengten sich sofort, als das Sonnenlicht auf sein Gesicht fiel. Die Luft war frisch und kühl und hatte den kräftigen Salzgeruch des Meeres. Er atmete tief durch, um seine Lungen damit zu füllen, und zwang seine zuckenden Muskeln zur Ruhe.
    War er zu Hause? War die Ewigkeit auf dem großen Schiff, waren die fürchterliche Qual auf dem Karren und der Schrecken des rattenverseuchten Loches nichts weiter als ein furchtbarer Traum gewesen? Hatte sein erschöpfter Verstand alles nur erfunden – selbst das geisterhafte Oval des weißen Frauengesichtes in der Dunkelheit und die sanfte Berührung ihrer Hände?
    Was auch immer die Wahrheit sein mochte, er konnte hier nicht liegen bleiben, wo sich seine Gedanken immer nur im Kreis drehten. Er musste aufstehen. Er musste herausfinden, was geschehen war, und seinen Feinden als

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