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Wild und frei

Wild und frei

Titel: Wild und frei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lane
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Alle schienen gleichzeitig zu reden, einige ängstlich, andere feindselig. Diese weißen Barbaren waren ganz anders als sein Volk. Offensichtlich hatten sie nie gelernt, zum Wohl ihres Stammes zusammenzuarbeiten.
    Black Otter wollte gerade die Tür weiter öffnen, als ein Junge von ungefähr dreizehn Jahren aus dem Raum stürmte und den Gang entlangrannte. Black Otter wich zurück und hielt den Atem an, aber der Junge lief an ihm vorbei und verschwand dorthin, wo eine Treppe zu sein schien. Wollte er Hilfe holen oder den Mann rufen, der der neue Häuptling sein würde? Es machte keinen Unterschied. Alles, was zählte, war, hier herauszukommen, und vielleicht hatte ihm der Junge gerade den Weg gezeigt.
    Mit klopfendem Herzen trat Black Otter auf den Gang hinaus und schloss vorsichtig die Tür hinter sich. In dem Raum am anderen Ende lärmten immer noch die Stimmen in ihrer fremden Sprache. Er verdrängte sie aus seinem Kopf, als er wie ein Schatten an der Wand entlang zur Treppe glitt. Das Verlangen loszulaufen wurde beinahe übermächtig, aber gerade jetzt hingen seine Freiheit und vielleicht sein Leben davon ab, dass er sich geschickt verhielt. Er hatte keine Kriegskeule, weder Speer noch Pfeil und Bogen, und sein Körper war durch Krankheit geschwächt. Er war verletzlich wie ein verwundeter Fuchs.
    Jetzt erblickte er das obere Ende der Treppe und hörte von irgendwo unten das Öffnen und Schließen einer schweren Tür. Was bedeuteten die Geräusche? Hatte der Junge das Haus verlassen, oder war irgendein anderer eingetreten – jemand, der gleich die Treppe heraufkommen würde?
    Black Otter trat zurück in die dunkle Nische des letzten Türeinganges. Falls irgendwer die Treppe heraufkäme, könnte er nirgendwohin außer …
    Er zuckte unwillkürlich zusammen, als die Tür hinter ihm quietschte und dem Druck seines Körpers nachgab. Erschrocken wirbelte er herum, bereit, um sein Leben zu kämpfen. Aber da war niemand. Die Tür war nur angelehnt gewesen und hatte sich durch sein Gewicht geöffnet. Er zögerte einen Augenblick. Dann, immer noch im Unklaren über die Gefahr, die von unten drohte, schlüpfte er in den Raum.
    Im ersten Moment blendete ihn die Morgensonne, die durch das hohe Glasfenster hereinschien. Er blinzelte wütend, unfähig, außer der Helligkeit etwas zu sehen. Dann gewöhnten sich seine Augen langsam an das Licht. Farben und Formen wurden sichtbar. Gegenstände und Einzelheiten waren klar zu erkennen. Black Otter stand da wie gebannt, verblüfft von dem, was er sah.
    An den Wänden des Raumes standen große hölzerne Kisten aufgereiht, alle vorn offen und in Fächer unterteilt. Jede Nische war gefüllt, einige mit seltsam geformten Gefäßen, andere mit Schalen und Kästen, in denen anscheinend getrocknete Teile von Tieren gestapelt waren – Hufe, Pfoten, Ohren und Knochen – mehr Knochen, als Black Otter je in seinem Leben gesehen hatte.
    Alle seine Sinne waren geschärft durch die Vorahnung drohender Gefahr, als er ein Gefäß und dann noch eines untersuchte. Sie enthielten noch mehr Körperteile von Tieren – Augen, Herzen, ungeborene Junge, in einer trüben Lake schwimmend, die nach Salz und Tod stank. Voller Abscheu wandte Black Otter sich ab und stand nun vor einem langen Tisch, dessen Platte aus einem einzigen Stück polierten grauen Steines gemacht war.
    Ihn schauderte, als ob ein eisiger Wind seinen Rücken streifte. Was war dies für ein Ort – und welcher böse Geist ging in diesem großen Wigwam um? Hatte Rowena etwas damit zu tun?
    In diesem Augenblick wünschte Black Otter sich nichts sehnlicher, als diesen Raum des Todes zu verlassen, aber als er sich zum Gehen wandte, wurde er von einem grellen Lichtstrahl geblendet.
    Der wurde reflektiert von einer Platte am anderen Ende des Tisches. Sein Herz setzte einen Schlag lang aus, als er sah, worauf das Sonnenlicht fiel.
    Auf dem Tuch, mit dem die Platte bedeckt war, lag, aufgereiht wie Amseln auf einem Zweig, eine Sammlung von kleinen, schmalen Messern aus Stahl.
    Er starrte sie verwundert an und betrachtete jedes einzelne mit abschätzendem Blick. Dann wählte er das größte, nahm es auf und probierte, wie der Griff, der aus demselben Metall wie die Schneide bestand, in der Hand lag. Ihn überraschte, wie wenig das Messer wog, nicht mehr als die Feder eines jungen Habichts. Auch die außerordentliche Schärfe versetzte ihn in Erstaunen, denn als er die Klinge leicht mit dem Finger berührte, blieb eine dünne Blutspur zurück. Ja,

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