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Wild und frei

Wild und frei

Titel: Wild und frei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lane
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unbeeindruckt. Er stürzte den grasbewachsenen Abhang hinunter wie ein springender Hirsch, die kupferfarbene Haut glänzend im Sonnenlicht, und die Mähne rabenschwarzen Haares flatterte im Wind. Rowena stolperte hinter ihm her, innerlich in Aufruhr. Ihr eigener Vater hatte veranlasst, dass dieser Mann aus seiner Heimat entführt wurde. Falls er hier in diesem fremden Land zu Schaden käme, würde diese Schuld für alle Zeit auf Sir Christopher lasten. War es da nicht ihre Pflicht der unsterblichen Seele ihres Vaters gegenüber, dieses wilde Geschöpf zu beschützen?
    “Du bist noch nicht richtig gesund!” Sie wankte hinter ihm her, ohne Rücksicht auf ihre schmerzenden Seitenstiche zu nehmen. “Du wirst dich nachts erkälten! Es ist erst Frühling – da sind die Nächte hier noch kalt, und du hast kaum etwas anzuziehen …”
    Das Tal lag vor ihnen, eine Wildnis aus Weißdorn und den federförmigen Blättern des Adlerfarns, dort, wo der Bach zwischen den Steinen dahinströmte. Als er unter den Bäumen angelangt war, schien in dem Wilden eine Veränderung vorzugehen. Er war nun in seinem Element und bewegte sich lautlos wie ein Schatten durch das Unterholz hinunter zum Wasser, das silbrig unter den überhängenden Weiden schimmerte. Rowena blieb ihm auf den Fersen, zu sehr außer Atem, um weiter auf ihn einzureden.
    Am Ufer des Bachs kam er zum Stehen. Zerschunden, zerkratzt und erschöpft, sank Rowena neben ihm zu Boden. Ihr Kleid war in Fetzen, ihr langes kastanienbraunes Haar hatte der Seewind zerzaust. Sie rang nach Atem, so gut das eben in dem engen Mieder möglich war. Die bronzefarbene Hand des Wilden hielt immer noch ihr Handgelenk umschlossen, aber selbst wenn er sie losgelassen hätte, wäre sie nicht weggelaufen.
    Der Bach rauschte zu ihren Füßen und plätscherte auf seinem Weg ins Meer über die Steine. Der Wilde kauerte sich nieder und schöpfte mit seiner freien Hand Wasser. Er zögerte einen Augenblick, wandte sich dann um und bot Rowena zu trinken an.
    Durch die Handbewegung erschrocken, zuckte Rowena zurück. Der Blick seiner dunklen Augen verfinsterte sich. Er richtete ein paar grobe Worte in seiner Sprache an sie, aber als sie ihn nur anstarrte, runzelte er nachdenklich die Stirn und besann sich auf das englische Wort.
    “Trink”, befahl er, schöpfte erneut eine Handvoll Wasser und streckte sie ihr entgegen.
    Rowena neigte den Kopf und trank, zuerst zögernd in kleinen Schlucken, dann gierig, wobei ihre Lippen den Rand seiner großen braunen Hand berührten. Der Salzgeschmack seiner Haut vermischte sich mit dem kühlen Wasser. Sie trank wieder und wieder, und er schöpfte mit der hohlen Hand für sie aus dem Bach.
    Verschüttetes Wasser lief über das Oberteil ihres hochgeschlossenen Kleides. Der nasse Stoff klebte an ihren Brüsten und betonte ihre aufgerichteten Brustspitzen. Als er an ihr heruntersah und sein Blick dort verharrte, fühlte Rowena, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss. Welch ein Wahnsinn! Ihr Vater war schwer krank, lag vielleicht gerade jetzt im Sterben, und sie trank aus der Hand eines fast nackten Wilden und errötete wie ein kleines Mädchen.
    Kummer und Schuldgefühle nagten an ihrem Herzen. Sie musste weg von hier, zurück ans Krankenbett ihres Vaters. Aber selbst jetzt, von widerstreitenden Gefühlen hin- und hergerissen, wusste Rowena, was ihre Pflicht war. Das Leben ihres Vaters lag in Gottes Hand. Aber Sir Christopher, der Gelehrte, würde ihr nie verzeihen, wenn sie nach Hause käme und ihren Gefangenen auf freiem Fuß ließe.
    Der Wilde trank einen Schluck Wasser, während er mit wachsamen Blicken die Bäume nicht aus den Augen ließ. Dann erhob er sich und lief vorsichtig das Tal entlang Richtung Meer. Rowena hastete hinter ihm her. Mit ihr im Schlepptau kam er nur langsam voran, und sie machte viel zu viel Lärm. Ihr war klar, dass er ohne sie viel schneller fliehen könnte. Aber es gab keinen Zweifel, warum er sie mit sich nahm. Ihr Wert als Geisel überwog alle Nachteile – eine Erkenntnis, die sie auf einen ziemlich gewagten Gedanken brachte.
    “Oh …” Rowena ließ sich zwischen den Farnbüscheln zu Boden fallen. “Oh, halt an – mein Knöchel …”
    Er wandte sich um, sah sie mürrisch und finster an. Dann riss er sie ziemlich unsanft am Arm, um sie wieder auf die Beine zu bringen.
    “Nein.” Rowena schüttelte den Kopf und machte ein schmerzverzerrtes Gesicht. Mit ihrem freien Arm raffte sie ihre Röcke hoch, damit er ihren unglücklich

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