Wild und frei
treffen konnten. Und Bosley hielt sich immer noch im Hintergrund, während der dunkle Schweißfleck hinten auf seinem Wams immer größer wurde.
Der dicke Hartholzknüppel krachte mit voller Wucht auf das Handgelenk des Mannes, der das Messer hielt. Er schrie auf vor Schmerz, ließ die Waffe fallen, stolperte rückwärts und hielt sich den Arm. Nun stand der Wilde im Zweikampf dem größten der Raufbolde gegenüber, dem Mann mit der Axt. Jetzt, da er mehr Bewegungsfreiheit hatte, steuerte der bullige Kerl schon auf ihn zu und schwang die tödliche Axt in hohem Bogen. Das schwere Blatt zischte durch die Luft und schlitzte die Schulter des Wilden auf, ehe er sich mit einem Sprung zur Seite retten konnte. Rowena schrie auf, als das Blut aus der klaffenden Wunde spritzte, aber die grobe schmutzige Hand, die ihr den Mund zuhielt, erstickte ihren Schrei.
Mittlerweile floss das Blut des Wilden in Strömen an seinem Arm hinunter. Dennoch reagierte er blitzschnell auf den Schlag, der ihn verwundet hatte. Ehe sein Gegner erneut ausholen konnte, schwang er den Knüppel. Das dicke, knotige Ende traf den schwerfälligen Bauern mit voller Wucht an der Schläfe. Das Blatt der Axt schwankte in der Luft, als der große Kerl benommen von dem Hieb nach hinten taumelte. Ein weiterer Streich mit dem Knüppel – da sackte er wie ein Mehlsack zusammen und ging zu Boden. Plötzlich bot sich dem Wilden eine Gelegenheit.
Lauf!
Rowena hätte das Wort laut herausgeschrien, wäre sie nur dazu in der Lage gewesen.
Du musst jetzt fliehen! Es ist deine einzige Chance!
Ein stiller Seufzer blieb ihr im Halse stecken, als sie sah, wie der Wilde zögerte, und ihr klar wurde, dass ihm nicht mehr genug Kraft für eine Flucht blieb. Er hatte bereits zu viel Blut verloren. Er hielt zwar immer noch den Knüppel hoch, bereit, jeden Angreifer abzuwehren, aber Rowena, die ihn so gut kannte, sah die feinen Schweißperlen, die sich auf seiner Oberlippe gebildet hatten. Ihr entgingen auch die glasigen Augen nicht und die Blässe, die sich auf seiner bronzefarbenen Haut ausbreitete. Ja, er konnte sich gerade noch auf den Beinen halten.
Erst da griff Bosley an. Sein Schwert war so riesig und dermaßen grellbunt, dass es wie ein Bühnenrequisit wirkte – was es wahrscheinlich auch war oder zumindest gewesen war. Die Klinge jedoch, in ihrem jetzigen Zustand, war scharf genug, um Rowenas Hand wie ein Rasiermesser aufzuschlitzen.
Sie beobachtete den Wilden und murmelte leise ein Gebet vor sich hin. Er schonte jetzt seine Kräfte, benutzte den Knüppel, um Bosleys Schwerthiebe zu parieren, während er auf eine Gelegenheit zum Zuschlagen wartete. Sie wusste, er würde zuschlagen, um zu töten. Erst nach Bosleys Tod würde er ihr erlauben, ihn in seine Heimat zurückzuschicken.
“Du hättest schon beim ersten Mal auf mich hören sollen, Zigeuner!” verhöhnte Bosley ihn. “Ich habe dich gewarnt, meiner Frau nicht zu nahe zu kommen. Jetzt wirst du für deine Unverschämtheit mit dem Verlust deiner Männlichkeit bezahlen!”
Rowena zog sich der Magen zusammen. Bosley schien zwar nicht herausgefunden zu haben, wer der Wilde wirklich war, aber dadurch wurde die Gefahr nicht geringer. Ein Mann, der nicht einmal vor Mord zurückschreckte, würde auch nicht zögern, den Mann zu kastrieren, den er für den Liebhaber der Frau hielt, die er für sich beanspruchte.
Sie drehte und wand sich und versuchte aufzuschreien, aber ihr Wächter hielt sie fest, und seine hässliche Hand umklammerte ihr Kinn, sodass sie ihn nicht beißen konnte. So musste sie voller Entsetzen zusehen, wie ihr Krieger allmählich zu schwanken begann. Der schwerfällige Bauer, der vorhin zu Boden gegangen war, hatte sich wieder aufgerappelt, seine Axt aufgenommen und sich neben Bosley aufgebaut. Selbst der Mann mit dem gebrochenen Handgelenk hatte seine Wunde mit seinem Halstuch verbunden und wagte sich wieder hervor, das Messer nun in der gesunden Hand. Die drei kreisten den Wilden ein wie Spürhunde, die sich an einen großen Hirsch heranschleichen und darauf warten, dass er zusammenbricht, damit sie ihn anspringen und töten können.
Bosley drehte sich nach Rowena um, ein Grinsen lag auf seinem bösartigen Gesicht. “So, meine Liebe, wie hättet Ihr’s denn gern? Möchtet Ihr hierbleiben und zusehen, wie wir Euren Zigeunerliebhaber entmannen, oder soll Watson Euch nicht lieber zurück ins Haus bringen und in Eurer Kammer einschließen?” Sein Blick richtete sich auf Rowenas Wächter, der die
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