Wild und gefaehrlich
sie. Die Tür ging ein Stück auf und Kara spähte herein. In ihrem eng anliegenden dunkelorangen Modellkleid sah sie umwerfend aus.
»Oh, ich wollte dich nicht beim Lesen stören«, sagte sie verschüchtert. »Aber... Tinsley hat angeboten, mir mit dem Make-up zu helfen. Ich bin da total ungeübt.« Sie sah sich im Zimmer um. »Aber wie ich sehe, ist sie ja gar nicht hier.«
Brett klappte ihr Buch zu und legte es neben sich aufs Bett. »Wahrscheinlich ist sie oben in Callies Zimmer. Aber ich kann dir auch helfen, wenn du magst.« Sie stand auf. »Ich bin allerdings keine Tinsley«, fügte sie hinzu.
Kara biss sich auf die Lippe. »Ich bin nicht sicher, ob das ein Nachteil ist«, sagte sie mit einem nervösen Lachen.
Brett kicherte. »Sehr gut.«
Karas Blick fiel auf den Fänger im Roggen . »Tolles Buch. Liest du es für Englisch?«
»Nein.« Brett blickte auf den hübschen weißen Band. Der Buchdeckel war leer, mit Ausnahme des Titels, der schwarz in der Mitte prangte, und eines angedeuteten Regenbogens in einer Ecke. Brett gefiel die Gestaltung. »Das lese ich immer, wenn ich niedergeschlagen bin.«
Kara nickte verständnisvoll und ihre grünbraunen Augen verrieten Mitgefühl. »Holden ist so ein kaputter Typ«, sagte sie liebevoll. »Er baut einen immer auf.«
Genau. Brett war es völlig schleierhaft, warum sie dieses Mädchen nicht früher kennengelernt hatte. »Dein Kleid ist übrigens sagenhaft.«
»Und das sagst du !«, rief Kara. »Du siehst aus wie ein Filmstar.«
»Nicht wie eine Zucchini?« Brett sah an ihrem Kleid hinunter, während sie zu den Schminksachen glitt, die auf ihrer Kommode lagen. Sie griff nach der Tube Global-Goddess-Grundierung und hielt sie Kara hin. »Das hier ist sensationell.«
»Keine Angst, kein Mensch wird dich für ein Gemüse halten.«
»Danke.« Brett betrachtete Karas Gesicht kritisch. Sie hatte einen guten Teint, kräftige Wangenknochen und unglaublich lange Wimpern – ein bisschen mehr Farbe stand ihr sicherlich gut. »Wie wär’s mit fliederfarbenem Lidschatten?«
Zehn Minuten später steckte Jenny den Kopf zur Tür herein. Sie trug ein dunkles, espressofarbenes trägerloses Strandkleid von J.Crew und rote Riemchensandalen. »Ich seh nicht zu sehr nach Sommerurlaub aus, oder?« Das Haar hing ihr in feuchten Kringeln um die nackten Schultern. »Mir gefällt, wie das Kleid meinen Busen platt drückt.« Sie streckte die Brust nach vorn. »Sieht doch kleiner aus, oder?«
»Nicht, wenn du diese Bewegung machst«, zog Brett sie auf. Easy würde nicht der Einzige sein, der sie heute Abend mit Blicken verschlingen würde. Obwohl das Kleid nicht freizügig war, würden die nackten Schultern und das tiefe, schattige V ihres Brustansatzes die Jungen um den Verstand bringen. Brett begutachtete ihr eigenes Gesicht in dem kleinen Make-up-Spiegel und stäubte ein winziges bisschen dunklen Lidschatten von Urban Decay Oil Slick in ihre Augenwinkel.
Jenny betrachtete die beiden Mädchen. »Ihr seht fantastisch aus.« Sie lächelte Kara zu. »Du bist Kara, stimmt’s? Wir haben zusammen Anatomisches Zeichnen.«
»Der Kurs ist ein Traum«, schwärmte Kara. »Jedenfalls solange ich nicht Modell stehen muss.«
»Wenn wir in diesen Sachen Modell stehen dürften, würde es vielleicht Spaß machen.« Jenny drehte sich und ließ den Rock um sich schwingen.
Kara sah an sich hinunter. »Ich glaube, ich zieh mich wieder um. Das Make-up ist okay«, setzte sie schnell hinzu. »Aber das Kleid hier, das bin ich überhaupt nicht.«
»Aber das ist doch der Clou, wenn man mal andere Sachen anzieht. Heute Abend musst du nicht du selbst sein«, sagte Jenny. Sie sah in den Spiegel, zwirbelte Strähnen ihres Haares aus der Stirn und steckte sie an anderen dichten Locken fest.
»Schon möglich.« Kara zuckte die Schultern. »Aber ich mag es nicht, wenn ich mich im Spiegel nicht erkenne, verstehst du?«
Ein seltsam quakendes Geräusch drang von draußen ins Zimmer, fast wie eine Hupe. Die Mädchen stutzten, stürzten ans Fenster, und Brett zog das Rollo hoch.
»Was war denn das?«, fragte Jenny nervös. »Klang das abartig. Solche Geräusche macht doch keine Eule, oder?«
»Nur, wenn sie auf Crack ist«, witzelte Kara. »Das hat sich eher nach einer Gans angehört.«
Brett spähte in die Dämmerung, konnte aber nichts anderes erkennen als Büsche und Bäume. Wieder dieser Laut. Diesmal ganz nah. Die drei Mädchen fuhren zusammen. Bretts Herz raste. Sie schob das Fenster hoch und streckte den
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