Wild wie das Meer (German Edition)
dir nicht bieten.“ Diesmal hatte sie nicht mehr die Kraft, ihm nachzueilen. Als er den Salon verlassen hatte, sank sie entmutigt auf einen Lehnstuhl. Sie hielt beide Hände vor ihr Gesicht und versuchte, nicht zu weinen. Er hatte sich geweigert, über die Vergangenheit zu sprechen, und die Antworten, die er ihr gegeben hatte, waren nicht die gewesen, nach denen sie sich in ihrem Herzen gesehnt hatte. Nun war es zu spät. Die Wahrheit war wie ein harter Schlag ins Gesicht.
Devlin betrat sein Gemach und blieb stehen. Das Zusammentreffen hatte ihn beileibe nicht ungerührt gelassen, aber er nahm sich vor, nicht weiter darüber nachzudenken. Jetzt war nicht die Zeit nachzugeben und sich von großen violetten Augen vereinnahmen zu lassen – nicht schon wieder.
Er suchte Halt am Bettpfosten, als er spürte, dass ihre flehenden Worte ihn nicht loslassen würden. Hätte er geahnt, dass seine Selbstbeherrschung Risse aufweisen würde, wäre er nie zurückgekommen. Er hätte Sean beauftragen sollen, Virginia nach Southampton zu bringen.
„Du hättest uns von deiner Ankunft vorher in Kenntnis setzen sollen.“
Dankbar für die Unterbrechung, fuhr Devlin herum und gewahrte seinen Bruder an der Türschwelle. Zorn und Missfallen zeichneten sich in Seans Zügen ab. „Vor mir brauchst du nichts zu verbergen. Ich gab dir die Erlaubnis, ganz nach deinem Belieben mit ihr zu verfahren. Hast du sie in deinem Bett gehabt?“, fragte er Sean mürrisch.
Ein unwillkommenes Bild bestürmte ihn, als er sich ausmalte, wie sein Bruder Virginia verführte und sich mit ihr vereinigte.
Da stürzte Sean sich auf ihn.
In gewisser Weise hatte Devlin damit gerechnet – er hieß den Angriff sogar willkommen, denn das war genau, was er jetzt brauchte. Durch die Wucht des Aufpralls stürzten sie beide auf das Bett, wo sie miteinander rangen, als seien sie noch junge Burschen. Mit aller Kraft gelang es ihm, Sean auf den Rücken zu drehen, doch dabei landeten sie beide auf dem Fußboden.
Für einen Moment saß Devlin rittlings auf seinem Bruder und bedachte ihn mit einem kalten Lächeln. „Ein Ja oder Nein würde schon genügen.“
„Du herzloser Bastard“, stieß Sean zornig hervor und schlug seinem Bruder mit der Faust ans Kinn. Die Wucht schleuderte Devlin zu Boden.
„Wehr dich, du elender Schuft“, rief Sean schnaufend.
Doch er hatte kein Verlangen mehr nach Kampf. Mühsam richtete er sich auf, verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln und wischte sich ein schmales Blutrinnsal vom Kinn. „Magst du es, wenn sie unter dir stöhnt?“, forderte er Sean heraus. „Welchen Namen stößt sie in ihrer Ekstase hervor – deinen oder meinen?“
Sean verpasste ihm einen weiteren harten Schlag. Devlins Kopf prallte an die Wand, und der Schmerz brannte in seinen Augen.
Wütend packte Sean ihn beim Hemdkragen. „Glaubst du wirklich, meine Schläge würden wiedergutmachen, was du ihr angetan hast? Verflucht seist du, Devlin!“
Devlin hatte nur ein müdes Lächeln für Sean übrig. „Hast du noch einen Schlag für mich auf Lager?“
„Das hättest du wohl gerne“, stieß Sean zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und ließ von ihm ab.
Devlin fasste sich an die aufgesprungene Lippe. Soviel stand jedenfalls fest: Sean hatte sich in Virginia verliebt, noch mehr als zu Anfang.
Hatten sie miteinander geschlafen?
Jetzt trat er an den kleinen Spiegel über der Kommode, verschmähte aber das Taschentuch, das Sean in kaltes Wasser getaucht hatte und ihm nun anbot. Sein Auge war in Mitleidenschaft gezogen, würde jedoch nicht ganz zuschwellen.
Er rief sich in Erinnerung, dass er sich ursprünglich gewünscht hatte, Virginia möge sich in Sean verlieben; er hatte gegen die Verbindung nichts einzuwenden gehabt. Damit wären seine Probleme aus der Welt geschafft, und er wäre frei, den Rest seines Lebens ganz nach seinem Belieben zu gestalten.
Allerdings gäbe es dann etwas, was ihm unter diesen Umständen nicht mehr gelingen würde: Virginia in seinem Bett zu haben.
„Ich mag es nicht, wenn man über mich bestimmt“, sagte Sean.
„Schläfst du mit ihr? Ich habe nichts dagegen“, fügte er rasch hinzu.
Sean schnitt eine Grimasse. „Nein.“
Eine Woge der Erleichterung erfüllte ihn – zu seinem Entsetzen. „Du solltest es tun“, sprach er. Behutsam berührte er sein pochendes Kinn. „Du kannst ganz schön zulangen, mein Lieber.“
„Ich bin kein Junge mehr. Warum musstest du uns überraschen?“
„Du sagst ,uns’. Hat es
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