Wild wie das Meer (German Edition)
jetzt die Karten auf den Tisch zu legen, anstatt das Unvermeidliche hinauszuzögern?
Doch da merkte Lady Arnold bereits höflich an: „Ich möchte natürlich nicht neugierig erscheinen, aber ich habe den Captain nie in Begleitung einer Frau gesehen.“
Virginia schluckte. „Er ist sehr freundlich zu mir. Ich wohne zurzeit ... in Waverly Hall.“
Lady Arnold hob erstaunt die Brauen. „Oh, ja, das Haus, das er Ihrem Onkel abgekauft hat. Wohnt Ihre Familie zurzeit dort?“
„Ich fürchte, nein“, bekannte Virginia. Und plötzlich hatte sie nicht den Mut, die bittere Wahrheit zu bekennen. „Entschuldigen Sie mich, Mylady, aber der Captain bedeutet mir, zu ihm zu kommen.“ Sie ließ die etwas verblüffte Lady Arnold stehen und eilte an Devlins Seite. Er musterte sie mit einem forschenden Blick.
„Ich fürchte, ich gebe heute Abend bei dieser Maskerade keine sonderlich gute Figur ab“, wisperte sie nervös.
„Du brauchst heute Abend überhaupt keine Rolle zu spielen, Virginia“, sagte er. „Bleib einfach an meiner Seite, bis wir uns wieder verabschieden.“ Ein Muskel zuckte in seiner Wange, und Devlin schaute zur Seite, als könne er ihr nicht in die Augen sehen. „Lord Carew.“ Er verbeugte sich vor einem älteren, beleibten Gentleman. „Darf ich Ihnen meine teure Freundin, Miss Virginia Hughes, vorstellen?“
Virginia verspürte klopfende Kopfschmerzen. Sie hatte sich ein wenig von der Menge zurückgezogen und beobachtete voller Unruhe die tanzenden Paare. Ich habe die Schrittfolge vergessen, dachte sie ein wenig beschämt, als sie sah, wie die Damen und Herren einander zunächst in Reihen begegneten, ehe die Paare sich wiederfanden, elegante Drehungen vollführten, die Partner tauschten und sich abermals in die Reihen eingliederten. Unweit von ihr unterhielt Devlin sich mit einigen Herren, und als diese Männer wiederholt zu ihr herüberstarrten, wurde Virginia klar, dass sie ihre Stellung kannten.
Ihr war elend zumute.
„Möchten Sie tanzen?“
Sie fuhr herum und sah in das lächelnde Antlitz von Tyrell de Warenne. „Mylord! Ich fürchte, ich habe vergessen, wie man tanzt“, bekannte sie offen.
Er bot ihr den Arm. „Möchten Sie mich dann auf die Galerie begleiten?“
Unsicher schaute sie zu Devlin hinüber, der sich ihnen inzwischen zugewandt hatte. „Ich glaube nicht, dass er das zulässt. Er hat mich noch nicht genug zur Schau gestellt.“
Tyrells Lächeln erstarb auf seinen Lippen. „Virginia, darf ich offen sprechen?“
Sie verspannte sich. „Ich bitte Sie darum.“
„Meine ganze Familie zürnt Devlin ob seines ungebührlichen Betragens. Sie hierher zu bringen ist dabei noch die kleinste Unverschämtheit.“
Seine Worte verschlugen ihr die Sprache. Sie sah, wie Devlin sich von den Herren verabschiedete und gemächlich zu Tyrell und ihr schlenderte.
„Ich möchte Ihnen bloß sagen, dass Ihnen Gerechtigkeit widerfahren wird, Virginia. In Kürze werden Sie für die Schmach, die Sie erlitten haben, entschädigt werden. Dafür wird mein Vater sorgen.“
Sie wusste nicht, wie er das meinte. Entschädigung? Plötzlich verspürte sie so etwas wie Hoffnung – würde der Earl ihr womöglich helfen, die Schulden ihres Vaters zu begleichen? Das wäre gewiss eine Entschädigung für all das, was sie hatte durchmachen müssen!
Devlin war längst bei ihnen und ergriff Virginias Arm. „Versuchst du etwa, mir Virginias Zuneigung streitig zu machen, Ty?“
„Als ob ich dich je in deinen Gefühlen verletzen würde, Devlin“, entgegnete Tyrell mit einem spöttischen Unterton.
Virginia achtete nicht auf den spitzen Wortwechsel der Brüder, da sie nach wie vor über die Entschädigung nachsann, die Tyrell ihr in Aussicht gestellt hatte. Letzten Endes schien es so, als wäre ihre fürchterliche Pechsträhne zu Ende.
„Sollen wir tanzen?“, fragte Devlin beinahe förmlich.
Sie erschrak. „Ich kann nicht tanzen, nicht einen einzigen Schritt.“
Er schenkte ihr ein Lächeln, und ein warmes Leuchten lag in seinen Augen. „Ich finde die Tänze auch eher langweilig. Soll ich uns Champagner holen?“
Sie nickte, obwohl sie die Soiree lieber sofort verlassen hätte. Doch sie glaubte, sich glücklich schätzen zu dürfen, denn bisher waren ihr die gefürchteten erniedrigenden Begegnungen erspart geblieben.
Devlin machte sich auf die Suche nach den Dienern, die Champagner auf silbernen Tabletts reichten.
„Da Sie bereits vergeben sind“, sagte Tyrell mit einem Lächeln, „empfehle ich
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