Wild wie das Meer (German Edition)
werde dich töten!“
Wie von Ferne drangen Devlins zornige Worte an ihr Ohr, und mit einem Mal war Tom Hughes fort. Die schwarzen Schleier vor ihren Augen entschwanden, doch im selben Moment sank sie schluchzend zu Boden und verspürte einen stechenden Schmerz in ihrem Arm und ihrer Brust. Da hörte sie einen Mann schreien.
Schwer atmend schaute sie auf.
Hughes lag auf dem Boden, und über ihm war ein Blutfleck an der Wand.
Langsam begriff sie, was dort vor sich ging.
Devlin versetzte seinem Widersacher einen Tritt. „Steh auf, du Feigling“, zischte er.
Mühsam stützte Hughes sich nun auf Hände und Knie. „Sie ist nur eine Hure.“ Er spuckte Blut.
Devlin riss ihn am Kragen hoch und schleuderte Tom gegen die Mauer. Hierauf packte er ihn erneut, ehe Hughes zu Boden fiel, stellte ihn wieder auf die Füße und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht.
Sämtliche Schmerzen missachtend, stand Virginia auf. „Devlin, halt! Hör auf damit!“
Doch in diesem Moment zog Hughes seinen Degen und stierte Devlin mit blutunterlaufenen Augen an.
Virginia war starr vor Schreck.
Devlins Mundwinkel umspielte ein böses Lächeln. „Das war unklug“, sagte er gedehnt. Die Klinge seines Degens sirrte, als er die Waffe aus der Scheide zog. Schon im nächsten Augenblick duellierten die Männer sich tänzelnden Schrittes.
„Devlin, nicht“, rief Virginia.
Doch Devlin ging auf diesen Zwischenruf nicht ein und täuschte seinen Gegner durch eine Finte. In seiner Wut missdeutete Hughes den Trick und stieß hastig zu, da er glaubte, Devlins Schwachstelle entdeckt zu haben, aber da hatte Devlin ihn bereits getroffen. Blut quoll aus der Wunde und besudelte Hughes’ Uniformjacke.
Tyrell. Virginia stürmte aus dem Salon auf die Galerie, hastete die Treppe hinunter, erreichte das Foyer und schaute sich Hilfe suchend nach allen Seiten um. Auf Zehenspitzen stehend, versuchte sie am Eingang des Ballsaals Devlins Stiefbruder zu erspähen, doch in der großen Gästeschar konnte sie ihn nirgends ausmachen. Sie war der Verzweiflung nahe. Devlin war im Begriff, Tom Hughes zu töten, daran bestand kein Zweifel, und für dieses Vergehen würde man ihn hängen.
Plötzlich entdeckte sie Tyrell auf der Tanzfläche neben einer schönen Dame mit blondem Haar.
Virginia raffte die Röcke und bahnte sich ihren Weg durch die Menge im Ballsaal. „Mylord!“
Tyrell reihte sich beim Tanz soeben in die Riege der Herren ein, wandte sich seiner Partnerin zu und straffte die Schultern.
Erneut rief sie mit lauter Stimme gegen die Musik und das Stimmengewirr der Gästeschar an. „Tyrell! Mylord! Zu Hilfe!“
Endlich drehte er sich ihr zu, erblickte sie und schaute sie mit großen Augen an. Schließlich eilte er ihr entgegen, und der Tanz wurde augenblicklich unterbrochen. „Was ist geschehen? Sind Sie verletzt?“
„Devlin tötet Tom Hughes in dem Salon neben der Galerie“, rief sie außer Atem.
Ohne ein Wort zu verlieren, stürmte Tyrell aus dem Saal. Virginia rannte hinter ihm her und merkte, dass sich im Festsaal eine furchtbare Stille ausgebreitet hatte. Die Menge hielt den Atem an, und hier und da tuschelten die Gäste miteinander oder tauschten entsetzte Blicke. Einige Männer folgten ihr durch das Foyer und die Stufen hinauf.
Die beiden Kontrahenten fochten immer noch miteinander, doch Hughes war von zahllosen blutenden Wunden entstellt. Devlins Uniform hingegen war makellos; sein Gegner hatte ihn offenbar nicht ein einziges Mal getroffen. Als die Klingen sich erneut kreuzten, verlor Hughes seinen Degen und vermochte die Waffe nicht mehr aufzuheben. Devlin hielt ihm die Spitze des Degens an die Kehle. Sein Lächeln war eiskalt.
„Genug“, rief Tyrell in die angespannte Stille und trat hinter seinen Stiefbruder.
Hughes stand mit dem Rücken zur Wand und taumelte, als verliere er jeden Augenblick die Besinnung. Die Menge der Schaulustigen, die hinter Virginia in den Salon drängte, hielt den Atem an und begann zu flüstern.
Devlin war ein Abbild der Selbstbeherrschung, sein Gesicht glich einer starren Maske. Nur das Glimmen in seinen Augen verriet Virginia, dass er den Wunsch verspürte, seinen Gegner zu töten. Sein böses Lächeln flößte ihr Angst ein. „Nein“, sagte er leise, aber betont, „ich glaube, es ist an der Zeit, dass Tom Hughes stirbt.“
„Und alles wegen deiner Hure?“, brachte Hughes mühsam hervor.
Als Devlin den Degen zu dem tödlichen Stich zurückzog und auf Hughes’ Herz zielte, schrie die Menge auf.
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