Wild wie das Meer (German Edition)
war es heraus. Er hatte der Ehre Genüge getan, hatte den einzig richtigen Weg gewählt, denn ihm blieb keine andere Wahl.
Mary stieß einen Seufzer der Erleichterung aus und umarmte ihren Sohn. Tränen befeuchteten ihre Wangen. „Liebling, sie wird dir eine wundervolle Gemahlin sein, dessen bin ich mir sicher.“
Devlin nickte, aber er fühlte sich benommen. Und seltsamerweise fühlte er sich von einer schweren Last befreit. Ursprünglich hatte er Virginia nach Hause schicken wollen, mit der Gewissheit, sie nie wiederzusehen. Stattdessen stand ihnen nun ein gemeinsames Leben bevor.
Gott, ich muss mich in Acht nehmen, oder ich gerate noch ganz in ihren Bann, dachte er, als sich ein Gefühl der Unsicherheit und Panik einstellte.
„Edward, wir haben Vorbereitungen für eine Hochzeit zu treffen“, frohlockte Mary. „Und die Zeit ist knapp bemessen!“ Sie strahlte ihren Sohn an. „Du wirst in den nächsten zwei Wochen heiraten, bevor du in See stichst.“
Devlin hatte Schwierigkeiten, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Sein Erster Offizier hatte ihm eine Liste mit den erforderlichen Vorräten zur Durchsicht überlassen, aber die Buchstaben auf dem Blatt verschwammen.
Schließlich schob er die Liste zur Seite. Wo, zum Teufel, war Virginia? Am Abend zuvor hatte sie anscheinend unter Kopfschmerzen gelitten und ihre Mahlzeit auf dem Zimmer eingenommen. Die Tatsache, dass sie ihn mied, war ihm nicht ganz ungelegen gewesen, denn so unmittelbar nach der Einwilligung in die Ehe hatte er nicht mit ihr sprechen wollen. Doch inzwischen war es Mittag, und sie hatte sich immer noch nicht blicken lassen. Mittlerweile verspürte er den Wunsch, mit ihr über die gemeinsame Zukunft zu sprechen. Gewiss könnten sie eine Vereinbarung treffen, die beide Ehepartner zufriedenstellen würde. Es war ihm wichtig, ihr mitzuteilen, dass sich kaum etwas an ihrer Beziehung ändern würde, abgesehen davon, dass Virginia rechtmäßig an seiner Seite leben könnte.
Er warf einen Blick auf die bronzene Uhr auf seinem Schreibpult. Nun war es beinahe ein Uhr. Ungeduldig stand er auf und ging zur Tür. „Benson?“, rief er.
Der Butler schien wie aus dem Nichts aufzutauchen. „Sie wünschen, Sir Captain?“
„Ich möchte mit Miss Hughes sprechen.“
Benson nickte und entfernte sich rasch.
Devlin kehrte an seinen Platz zurück und betrachtete die Liste, auf der die Rationen für die Mannschaft festgehalten waren. Pökelfleisch, Erbsen, Hafermehl, Butter, Käse ... Mit einem Seufzer schob er die Liste zurück. Viel wichtiger war es ihm jetzt, mit Virginia über die bevorstehende Hochzeit zu sprechen. Ungeduldig trommelte er mit den Fingerspitzen auf der Schreibtischplatte und schaute auf, als Benson den Raum betrat. „Und, kommt sie?“
„Sie ist nicht in ihrem Zimmer, Sir. Aber ich fand dieses Schreiben auf ihrem Bett. Seltsamerweise trägt es Ihr Siegel, Sir, aber es ist an Sie adressiert.“ Der Butler reichte ihm einen Brief.
Devlin sprang auf, riss Benson das Schreiben förmlich aus der Hand und ahnte, was ihn erwartete. „Das wäre dann alles“, beschied er dem Diener knapp.
Als Benson den Raum verlassen hatte, erbrach Devlin das Siegel und faltete den Brief auseinander.
Lieber Devlin,
ich kann dich nicht heiraten. Wenn du diesen Brief in Händen hältst, werde ich fort sein. Nach reiflicher Überlegung ist mir aufgegangen, dass ich mich äußerst töricht verhalten habe. Es ist für mich an der Zeit, nach Hause zurückzukehren.
Vieles bedaure ich zutiefst. Insbesondere den Umstand, dass wir nicht in der Lage waren, uns einander in aufrichtiger Freundschaft verbunden zu fühlen. Zudem bedaure ich die harten Worte unseres letzten Gesprächs. Ich hege keinen Groll gegen dich, und trotz allem, was vorgefallen ist, wünsche ich dir nichts Böses. Vielmehr bin ich dir freundlich gesinnt. Ich sehe in dir einen Freund, auch wenn dieses Gefühl nicht auf Gegenseitigkeit beruht. Ich wünsche dir von Herzen alles Gute.
Bitte grüße deine Familie herzlich von mir, denn ich wurde stets freundlich und zuvorkommend behandelt. Mit herzlichen Grüßen, Virginia
22. KAPITEL
V irginia saß vor dem warmen Kamin in der Bibliothek im Haus der de Warennes in Mayfair und nippte mutlos an der Teetasse. Sie hatte ein Kleid der Countess angezogen, das ihr allerdings zu groß war. Den ganzen Tag war sie am Hafen herumgeirrt, in der Hoffnung, ein Schiff nach Amerika zu finden. Doch schnell war ihr klar geworden, dass sie ohne Geld nicht weit
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