Wilde Chrysantheme
Hut zwischen den Händen, und seine Wangen färbten sich hochrot, als er stotternd die Ereignisse der Nacht berichtete. Der Herzog hörte mit steinerner Miene zu, den Mund zu einer schmalen Linie zusammengepreßt.
Als der Kutscher seine Schilderung beendet hatte und dann mit gesenktem Blick dastand, während er unglücklich an seiner Hutkrempe zupfte, warf der Herzog die Bettdecke zurück und erhob sich. »Mit Ihnen werde ich mich später befassen«, sagte er grimmig. »Gehen Sie mir aus den Augen.«
Der Kutscher schlurfte hinaus. Catlett eilte zur Tür, um an der Klingelschnur zu ziehen. »Sie werden Ihren Kammerdiener benötigen, Mylord.«
»Nein.« Tarquin winkte ihn mit einer ungeduldigen Handbewegung fort. »Ich bin durchaus in der Lage, mich allein anzukleiden. Lassen Sie sofort meinen Zweispänner vorfahren.« Er zog sich hastig das Nachthemd über den Kopf und nahm wildlederne Reithosen aus dem Schrank.
Catlett verließ unter einer Verbeugung den Raum, und Tarquin schlüpfte in aller Eile in seine Kleider, während seine Gedanken rasten. Ihm fiel einfach keine sinnvolle Erklärung für Julianas Dilemma ein. Aber andererseits braucht Juliana keine Gründe, um sich in Schwierigkeiten zu bringen, grollte er. Er wußte, daß George Ridge diesmal nicht in die Sache verwickelt sein konnte, weil er anderswo in Schach gehalten wurde. Es war sicherlich die Art von Rache, die Lucien gefallen würde, doch er besaß nicht die Geduld, um einen so ausgeklügelten Plan in die Tat umzusetzen. Er handelte meistens nur aus boshaften Impulsen heraus. Aber was, in drei Teufels Namen, hatte Juliana dazu veranlaßt, trotz seines ausdrücklichen Verbots und ihrer eigenen unliebsamen Erfahrungen, mitten in der Nacht auf dem Höhepunkt der Ausschweifungen, sich in Covent Garden herumzutreiben?
Einfach ein Schabernack? Grober Unfug? Eine erneute Demonstration ihrer Weigerung, sich seiner Autorität zu beugen? Irgendwie konnte er sich derart simple Beweggründe nicht vorstellen. Juliana war nicht kindisch… hitzköpfig, das sicherlich; aber sie war auch überraschend reif für ihr Alter – vermutlich eine Folge ihrer lieblosen Kindheit. Wahrscheinlich handelte es sich um irgendeine neue törichte Mission, wie die neulich, die sie in das Hofmarschallgefängnis geführt hatte. Auf unerfindliche Weise übten die Frauen aus der Russell Street eine gefährliche Faszination auf sie aus.
Ich sollte sie wirklich ein paar Tage im Gefängnis schmoren lassen, dachte Tarquin wutentbrannt, als er eine dicke Geldbörse in die Tasche seiner Reithose schob. Dann würde sie bald begreifen, was für eine verdammt gefährliche Faszination das war.
Aber er wußte, ihn bewegten eher Furcht als Wut. In seinen gerechten Zorn mischte sich eine quälende Besorgnis. Er konnte die Vorstellung nicht ertragen, daß Juliana mißhandelt oder in Angst und Schrecken versetzt wurde. Ein Teil seiner selbst litt aktiv mit, und sein Inneres bäumte sich auf vor Schmerz.
Ihm war das unerklärlich und verdammt lästig. Er marschierte aus seinem Schlafzimmer, ließ die Tür hinter sich zukrachen und eilte im Laufschritt zur Treppe.
»Guten Morgen, Tarquin. Wohin so eilig um diese frühe Stunde?« Quentins Stimme rief ihn von der Bibliothek her, als er die Halle durchquerte. Quentin, seit jeher ein Frühaufsteher, sah frisch und gelassen aus.
»Juliana hat es fertiggebracht, sich derart in Schwierigkeiten zu bringen, daß sie in die Besserungsanstalt Tothill Bridewell unterwegs ist«, erklärte Tarquin angespannt. »Wider bessere Einsicht habe ich beschlossen, sie dort herauszuholen, bevor sie in dem gräßlichen Loch völlig zugrunde gerichtet wird.«
Quentin starrte ihn ungläubig an. »Aber wie, um Himmels willen, hat sie es geschafft…«
»Keine Ahnung«, unterbrach Tarquin ihn ungeduldig. »Der verdammte Fratz ist so unberechenbar wie eine geladene Kanone. Und bei Gott, in Zukunft werde ich sie an der Leine halten!«
»Ich begleite dich.« Quentin legte das Gebetbuch, das er in der Hand gehalten hatte, auf einem Beistelltischchen ab.
»Dazu besteht keine Notwendigkeit. Mit Juliana werde ich auch ohne Hilfe fertig.«
»Davon bin ich überzeugt!« Quentin folgte ihm in den strahlenden Morgen hinaus. »Trotzdem könnte es sein, daß du einen Mitwirkenden zur Unterstützung brauchst. Du weißt nicht, was sich dort abspielt.«
Tarquin warf ihm einen niedergeschlagenen Blick zu, und ihre Blicke hielten einander einen Moment lang fest. Beide wußten, daß
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