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Wilde Chrysantheme

Wilde Chrysantheme

Titel: Wilde Chrysantheme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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Einverständnis gäbe? Er drückte seinem Pferd die Sporen in die Seiten und trieb es über eine hohe Dornenhecke. Das Tier bäumte sich auf und sprang darüber, die Zähne zu einer gelblichen Grimasse gebleckt, die Augen wild rollend vor Angst, und landete mit einem unsanften Plumps auf der anderen Seite.
    George verfluchte den groben Gaul und zog hart die Zügel an. Juliana würde ganz sicherlich zustimmen, denn im Grunde hatte sie gar keine Wahl. Seinerseits würde er dafür vor Gericht beeiden, daß seines Vaters Tod ein Unfall gewesen sei. Niemand würde George Ridges Interpretation eines solch peinlichen Vorfalls in Frage stellen. Die Geschichte könnte noch monatelang für Gelächter in der Grafschaft sorgen, und jeder würde verstehen, daß ein fetter Greis, der in seinem Ubermut zu tief ins Glas geschaut hatte, in seiner Hochzeitsnacht unmöglich mit einem temperamentvollen jungen Fohlen von knapp siebzehn Jahren hatte Schritt halten können.
    Natürlich nähme Juliana seinen Vorschlag bereitwillig an, davon war George überzeugt. Aber zuerst musste er sie aufspüren.
    Er zog sein Pferd nach rechts herum und strebte in Richtung Winchester. Juliana hatte sicherlich die Gegend verlassen. Und das ging nur entweder zu Pferd oder mit einer Kutsche. In den Ställen von Ridge Hall fehlten keine Pferde. Aber in den frühen Morgenstunden fuhr die Postkutsche von Winchester ab. Er würde sich im »Rose and Crown« erkundigen und zusätzlich überall in der Stadt Plakate mit einer Suchmeldung aufhängen, für den Fall, daß ein Fuhrmann oder Bauer mitten in der Nacht eine einsame Wanderin mitgenommen hatte.
    Juliana verbrachte die folgenden drei Tage in dem Haus in der Russell Street in relativer Abgeschiedenheit; die einzige Person, mit der sie hin und wieder ein Wort wechselte, war Bella, das Hausmädchen, das sie bediente und ihr die Mahlzeiten aufs Zimmer brachte. Ihre Erinnerung an die Augenblicke im Salon unmittelbar im Anschluss an den infamen Vorschlag des Herzogs verschwamm allmählich. Sie war vor Zorn und Empörung regelrecht niedergeschmettert gewesen und sprachlos vor Verwirrung. Unfähig, die Gesellschaft des Herzogs noch länger zu ertragen, war sie aus dem Raum geflohen. Niemand hatte sie zurückgehalten, und niemand hatte die Angelegenheit ihr gegenüber bisher wieder erwähnt. Die Tür ihrer Schlafkammer war zwar nicht länger verschlossen, aber bei der einen Gelegenheit, als sie sich in die Halle hinuntergewagt hatte, war Mr. Garston prompt wie aus dem Nichts aufgetaucht und hatte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete, aufgefordert, augenblicklich in ihr Zimmer zurückzukehren. Man hatte sie bereitwillig mit allem versorgt, worum sie gebeten hatte: Bücher, Schreibpapier, Zeichenmaterial. Trotzdem war sie unmißverständlich eine Gefangene in diesem zwielichtigen Etablissement, dessen Bewohner die Welt auf den Kopf stellten, indem sie bei Tage schliefen und mit Einbruch der Dunkelheit zum Leben erwachten.
    Die Nächte über lag Juliana im Bett und horchte auf die Geräusche, die aus den Salons heraufdrangen: die Klänge von Musik, die Lachsalven und das bereitwillige Kreischen weiblicher Stimmen, die volltönenden Männerstimmen auf der Treppe, das Klirren von Porzellan und Glas. Verlockende Düfte aus den Küchengewölben wehten unter ihrer Tür hindurch, und Juliana unterhielt sich damit, die Köstlichkeiten anhand ihres Geruchs zu identifizieren. Ihre eigene Verpflegung bestand aus einem einfachen und reichlichen Essen, das, wie sie annahm, in den Räumen der Bediensteten serviert wurde; doch die Gäste und die im Hause wohnenden Damen speisten offensichtlich sehr viel luxuriöser.
    Stundenlang döste Juliana vor sich hin, um dann gewöhnlich gegen Morgengrauen in tiefen Schlaf zu versinken, wenn das Hämmern des Türklopfers endlich aufhörte und der Lärm und Trubel allmählich abebbten. Wenn sich der Himmel heller färbte, konnte sie Stimmen draußen auf dem Korridor hören, gedämpfte, erschöpfte Frauenstimmen, ein gelegentliches Kichern; und einmal hatte sie ein herzerweichendes Schluchzen vor ihrer Zimmertür vernommen. Die Weinende war von einem Chor murmelnder Frauen getröstet worden, und wenig später hatte Mistress Dennisons Stimme das Geflüster übertönt. Freundlich, aber energisch. Juliana hatte aufmerksam gelauscht, als Mistress Dennison die Frauen ins Bett schickte und die Weinende mit in ihren Salon nahm.
    Abgesehen von ihrer Furcht und Sorge um ihr weiteres

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