Wilde Magie - Wilde Magie - Fever / Wild Rain
nachdem er an ihrem verletzten Bein geschnuppert hatte, große Vorsicht walten, während er sich von den Zehen wieder zum Kopf vorarbeitete.
Rachael spürte seinen warmen Atem auf der Haut, als er sie an der Schulter anstupste, als wollte er sie auffordern, ihn zu kraulen. Die Pistole glitt ihr aus der Hand, und sie tauchte die Finger in den dicken Pelz. Es war tollkühn und beinah zwanghaft, doch sie konnte den wilden, verrückten Impuls nicht unterdrücken. Mit den Fingerspitzen folgte sie den dunkleren Schatten der Rosetten, die sich in dem dichten schwarzen Pelz abzeichneten. Zögernd begann sie, dem Leoparden Ohren und Nacken zu kraulen und fasste sogar so viel Mut, ihm die breite Brust zu tätscheln. Der Leopard hatte mehrere Narben im Fell, die zeigten, dass er in mehr als nur einen Kampf verwickelt gewesen war, dennoch war das Tier ein Prachtexemplar seiner Gattung. Unter dem Pelz konnte Rachael stahlharte Muskelstränge fühlen, die den ganzen Körper überzogen. So nah bei ihm hätte sie Angst haben sollen, doch die ganze Nacht war zu etwas Surrealem geworden.
Aus der Nähe konnte sie sehen, dass die Tasthaare des Katers sehr lang waren, sie wuchsen rund um das Maul, über den Augen und sogar an der Innenseite der Vorderpranken. Rachael wusste, dass diese Haare mit Nervenenden in der Haut in Kontakt standen, die ständig Berührungsreize übermittelten, ähnlich einem Radarsystem. Während eines Angriffs war ein Leopard in der Lage, die Tasthaare wie ein Netz vor dem Mund zu spannen, um die genaue Position seiner Beute zu bestimmen und seinen tödlichen Biss anbringen zu können. Sie hoffte, dass das unaufhörliche Reiben an ihr eine Aufforderung war, fester zu streicheln, und kein Hinweis darauf, dass das Tier aggressiv wurde.
Fritz steckte den Kopf unter dem Bett hervor, und Rachaels Herz klopfte vor Angst um die kleine verletzte Katze.
Doch der große Leopard begrüßte ihn nur mit einem Stups auf die Schnauze und rieb ihm mit dem Kinn über den Kopf. Dann streckte er sich träge, schlich ums Bett herum, liebkoste Rachael noch einmal ausgiebig mit dem Kopf und tappte zur Küchenecke. Dort stellte er sich auf die Hinterpranken und kratzte mit den Krallen immer wieder an der Holzwand herunter, wobei er lange, tiefe Kerben hinterließ. Ganz genauso wie die bereits vorhandenen Kratzer. Schließlich ließ er sich wieder auf alle viere nieder, wandte den Kopf und musterte Rachael abermals mit seinem konzentrierten Blick, dann trabte er gemächlich aus dem Haus und verschwand in der Dunkelheit.
9
R achael wischte sich den Schweiß aus den Augen und starrte auf die Schrammen an der Wand. Sie hatte nicht geträumt. Ein riesiger Leopard war hier gewesen und herumgelaufen, als wäre er der Herr des Hauses. Er hatte den Blick seiner unheimlichen Augen auf sie geheftet. Hatte sich an ihrem Bett, ihrer Haut, ihrem ganzen Körper gerieben, und das nicht nur einmal, sondern zweimal. Hatte sich an den Möbeln gescheuert und sich zur vollen Länge ausgestreckt, um mit den riesigen Klauen über die Küchenwand zu kratzen, wobei er verräterische Spuren hinterlassen hatte, die tief in das Holz eingegraben waren. Dieses wilde Tier hatte sie sich ebenso wenig eingebildet wie die Schrammen.
»Und dabei war ich der Ansicht, im Dschungel sei ich sicher«, flüsterte sie. Sie hatte Angst, dass der Leopard zurückkam, wenn sie zu laut sprach. »Rio? Rio, wo bist du?«
Die Tür stand offen, und das Moskitonetz bauschte sich sanft in der lauen Nachtluft. Das Tröpfeln des Regens klang gedämpft. Rachael setzte sich vorsichtig auf. Sie fühlte sich kräftiger, doch ihr Bein war immer noch geschwollen und schmerzte bei der geringsten Bewegung. Sie streifte sich Rios Hemd über und murmelte etwas vor sich hin, als es sich an der Schiene um ihr Handgelenk verfing, dann schlug sie die Bettdecke zurück. Mit einem
lauten Scheppern, das die Stille der Nacht durchbrach, fiel die Pistole zu Boden.
Aufseufzend angelte Rachael danach und erreichte sie gerade eben mit den Fingerspitzen, sie wollte ihr Bein so lange wie möglich schonen. Sie hatte nichts gehört, doch da spürte sie seinen Blick auf sich ruhen. Sofort fiel ihr das Atmen leichter. Als Rachael aufsah, füllten Rios breite Schultern den Türrahmen. Sie war daran gewöhnt, dass er im Haus selten etwas anhatte. Dass sein Körper hart wie Stein war. Dass er etwas Gefährliches und Ungewöhnliches ausstrahlte, das sie nicht genau benennen konnte. Doch an die ruhige
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