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Wilder als der Hass, süsser als die Liebe

Titel: Wilder als der Hass, süsser als die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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war.
    Er nahm das letzte Buch in die Hand, öffnete es an irgendeiner Stelle und blickte auf die scharfe eckige Handschrift Juliets, die dort geschrieben hatte: »Ich wünschte, ich hätte Ross Carlisle niemals getroffen.«
    Sein Herz zog sich zusammen, als wäre ein Eiszapfen hineingefahren. Er klappte das Buch heftig zu und stellte es wieder in das Regal zurück. Dann stand er fast reglos da und holte tief Atem, um die aufkommende Übelkeit niederzukämpfen. Also hatte sie immer schon ein Tagebuch geführt, um ihre Beobachtungen festzuhalten, und - typisch für sie - war sie auf den Seiten sehr offen und ehrlich gewesen.
    Freudlos musterte Ross den fachmännisch gebundenen Lederrücken des Tagebuchs. Vermutlich befanden sich all die Antworten, was in ihrer kurzen Ehe fehlgelaufen war, in diesem Buch - und er hatte nicht den Mut, es zu lesen. Bei dem Geräusch sich nähernder Schritte wandte er sich um und zwang sich zu einer gelassenen Miene, als würde er in seiner eigenen Bibliothek herumwandeln. Dann schob Juliet den Türvorhang zur Seite - und er erstarrte. Sie hatte immer schon einen Hang zum Unerwarteten gehabt, und nun tat dieses verdammte Weib es wieder. Am Nachmittag hatte sie in ihrer Tuareg-Kleidung wie eine Kriegsherrin ausgesehen. Und nun, gekleidet wie eine Mischung aus Anstandsdame und türkischer Tänzerin, war sie von Kopf bis Fuß Frau.
    Sie blieb einen Moment im Türrahmen stehen und blickte ihn unsicher an. »Guten Abend, Ross. Verzeih mir meine Verspätung.«
    »Schon gut«, erwiderte er leichthin. »Ich habe schon angenommen, daß du entweder durch irgend etwas Unvorhergesehenes aufgehalten worden bist oder dir das  orientalische Zeitgefühl angeeignet hast.«
    »Ein bißchen von beidem, glaube ich.«
    Als sie eintrat musterte er ihr Gesicht und verglich es mit dem aus der Vergangenheit. Die runden Züge der Jugend waren schmaler geworden, die Wangenknochen traten stärker hervor. Juliet würde niemals auf die weiche, hilflose, feminine Art hübsch sein, die viele Männer so mochten. Statt dessen war sie von einer verwirrenden Schönheit.
    Während sie mit einer Hand zum Tisch deutete, sagte sie: »Ich dachte, du würdest lieber auf westliche Art essen, und der Tisch hier in meinem Arbeitszimmer ist da, für am besten geeignet.«
    »Es wird mir eine angenehme Abwechslung sein, vorausgesetzt, daß ich in den letzten drei Monaten nicht vergessen habe, wie man eine Gabel benutzt.«
    Sie schenkte ihm ein kleines Lächeln, als ein Mann und zwei Jungen eintaten, die Tabletts mit Essen hereintrugen. »Hast du noch irgendwelche Wünsche, Gul-i Saha-ri?« fragte der Diener. »Nein, Ruhollah. Du kannst dich zur Ruhe begeben. Wir bedienen uns selbst.«
    Die drei verbeugten sich und gingen. »Ich dachte, es ist besser, wenn wir nicht unterbrochen werden«, erklärte Juliet.
    »Du hast recht. Übrigens habe ich erst jetzt erkannt, was dein Name bedeutet. Ich habe es bis jetzt für ein Tuareg-Wort gehalten, das ich nicht verstanden habe, aber es ist wohl der persische Ausdruck gul-i sara-i, Blume der Wüste, nicht wahr?« »Es liegt an meiner Haarfarbe«, bestätigte Juliet. »Das erste Mal, als ich Saleh traf, nannte er mich Wüstenblume. Der Name ist hängengeblieben.«
    »Warum hast du eigentlich heute nachmittag lieber Französisch als Tamahak gesprochen?« fragte er neugierig. »Ich dachte, du hättest die Tuareg-Sprache gelernt, als du noch in Tripolis gelebt hast.«
    »Habe ich auch, aber du hast das Tamahak so gut gesprochen, daß ich befürchtete, du würdest meine Fehler sofort bemerken. Ich habe diese Sprache seit Jahren nicht mehr gesprochen, deswegen hielt ich Französisch für sicherer.« Sie hob eine Flasche an. »Möchtest du etwas Wein?«
    Ross staunte. »Der dürfte in diesem Teil der Welt schwer zu bekommen sein.«
    »Ja, stimmt, aber ich habe immer gerne etwas Wein oder Brandy für Gäste da, wenn sie es möchten.« Sie entkorkte die Flasche, schenkte Rotwein in zwei Gläser und reichte ihm eins, ohne seine Finger zu berühren. »Da bei den Moslems Alkohol verboten ist, haben wir hier keine Probleme mit Dienern, die den Weinkeller leertrinken, wie es in England so oft vorkommt.«
    Die nächsten Minuten war sie damit beschäftigt, Suppe in zwei Schüsseln zu füllen und Platten mit Brot und anderen Gerichten auf dem Tisch zu arrangieren.
    Ross sah ihr schweigend zu, während er gelegentlich an seinem Wein nippte. Er konnte sich noch sehr gut an ihr blaues Seidenkleid erinnern, und nun

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