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Wilder Als Ein Traum

Titel: Wilder Als Ein Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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abgrundtiefe Müdigkeit verriet. »Frauen haben im Krieg schon immer zur Beute gehört.«
    »Aber Jenny ist keine Frau. Sie ist ein Kind.«
    Magwyn erhob sich von der Bank und sah unsäglich gepeinigt aus. »Nein - jetzt nicht mehr …«
    Angesichts des schrecklichen Unrechts, das dem kleinen Mädchen widerfahren war, schnürte sich Tabitha vor Grimm die Kehle zu. Sie wandte sich an Colin und merkte, dass er trotz seiner lässigen Pose den gesamten Wortwechsel verfolgt hatte.
    »Ist es das, was Sie glauben?« schnauzte sie, froh über das männliche Ziel für ihre ohnmächtige Wut. »Dass Frauen nicht mehr sind als Beute? Sie sind gerade aus einem sechsjährigen Krieg zurückgekehrt, nicht wahr? Haben Sie die Vergewaltigung der Frauen und Töchter Ihrer Feinde in dieser
Zeit vielleicht auch als, wenn zwar bedauerliche, aber doch unvermeidbare Pflicht angesehen?«
    »Nein. Aber ich habe es als meine bedauerliche, wenn auch unvermeidbare Pflicht angesehen, einen Mann hinzurichten, der dieser Ansicht war.«
    Ihre Spannung legte sich. Sie hätte wissen können, dass Colin so ungefähr dem Racheengel des Heiligen Kreuzzuges gleichkam. Ehe sie ihre Worte wieder gutmachen konnte, wandte er sich jedoch entschieden von ihr ab. Sicher hatte ihre Rede ihn tief gekränkt.
    Plötzlich rief am Nebentisch jemand: »Auf die alte Nana!«
    »Auf die alte Nana«, stimmten die Umsitzenden ein und erhoben ihre Krüge.
    »Nana«, sagte auch Colin leise, ehe er seinen Krug an die Lippen setzte.
    »Wer ist Nana?«, fragte Tabitha Arjon leise.
    »Die alte Nana war Colins und schon davor seines Vaters Kinderfrau.«
    Beinahe hätte sie bei der Vorstellung, dass ein tapferer Krieger wie Colin eine »Nana« gehabt hatte, gelacht.
    »Ihr wärt stolz auf sie gewesen, Herr«, erklärte Iselda, die plumpe Matrone, die anfänglich Colin für einen Geist gehalten hatte. »Nana hat wie eine Walküre gekämpft, um das Baby Eurer Stiefmutter zu retten, nachdem unsere liebe Herrin dahingeschieden war. Sie wusste, was ihr die Kleine bedeutet hatte, nachdem sie nach Jahren der Bemühungen, Eurem Vater ein Kind zu schenken, endlich auf die Welt gekommen war. Als deutlich wurde, dass wir die Schlacht verloren, hat Nana das Kind zur Kapelle getragen und sich dort mit ihm vor den mörderischen englischen Horden verbarrikadiert.« Iselda stieß einen kummervollen Seufzer aus. »Sie
konnte ja nicht wissen, dass die Belagerung noch über zwei Wochen dauern würde. Niemand hat sie oder das Baby mehr lebend gesehen.«
    »Ich bin sicher, dass ihr ihre treuen alten Knochen würdevoll bestattet habt«, murmelte Colin.
    Unbehagliche Stille senkte sich über die Tische, einzig unterbrochen vom entfernten Jauchzen eines fröhlichen Kindes. Arjon sah die verliebte Blondine fragend an, doch statt etwas zu sagen, vergrub diese ihr Gesicht an seinem Hals.
    »Iselda?«, drängte Colin die andere. »Ihr habt doch die Gebeine meiner Schwester in die Familiengruft gebettet?«
    Die breitwangige Iselda wurde puterrot. Verlegen nestelte sie an ihrem Kleid herum, während sie erwiderte: »Nun, Mylord, nicht ganz …«
    Es war Magwyn, die der Frau zu Hilfe eilte. »Wir waren nicht noch einmal dort. Nachdem Brisbane seine Hunde zurückgepfiffen hatte, haben wir sämtliche Lebensmittelvorräte und Wertsachen, die wir schleppen konnten, aus den Kellern von Castle Raven gezerrt - Kisten voller Kleider, wie die, die Ihr jetzt gerade tragt, Silberteller, Salz, Gewürze - aber keiner von uns hat je wieder einen Fuß in die Burg selbst gesetzt.«
    Colin erhob sich von seinem Platz. »Warum, in Gottes Namen, nicht? In euren Hütten kann doch niemand wohnen. Hattet ihr befürchtet, ich würde euch dafür bestrafen, dass ihr auf der Burg Zuflucht sucht?«
    »Nicht Ihr wart derjenige, vor dem wir uns fürchteten.« Magwyn bekreuzigte sich, während ihr Blick in Richtung der düsteren Ruine wanderte. »Wir haben uns vor dem gefürchtet, was in dem Gemäuer haust.«
    »Rastlose Geister, Mylord«, platzte Iselda heraus. »Flackernde Lichter mitten in der Nacht. Ein erschlagenes
Baby, das auf Rache sinnt. Wir alle haben es gehört, jeder Einzelne von uns!«
    Als die anderen Iseldas Geständnis mit furchtsamem Gemurmel und schüchternem Nicken bestätigten, folgte Tabitha Colins gepeinigtem Blick zu dem in der Dunkelheit aufragenden Burgturm.
    Obgleich sie selbst erschauerte, hätte sie erwartet, dass der furchtlose Krieger die abergläubischen Dorfbewohner belächeln würde; doch er nickte

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