Wilder Als Ein Traum
mitfühlend. »Im Sommer ist es durchaus angenehm, unter den Sternen zu kampieren, aber im Winter wird es dafür viel zu kalt. Ich werde MacDuff bitten, uns einen Priester zu schicken, der Weihwasser in der Turmkapelle versprengt und für die unerlösten Seelen der Toten betet«, versprach er den Leuten.
Die Frauen hoben halbwegs getröstet die Köpfe und murmelten zustimmend, als plötzlich ein bärtiger alter Mann den Weg herunterkam und sich vor Colin verneigte. »Sir …« Bei der Erinnerung daran, dass sein Herr inzwischen zum Burgpatron aufgestiegen war, verbesserte er sich: »Mylord, falls Ihr und Mylady es wünscht, Euch zurückzuziehen, ist euer Pavillon bereit.«
»Sehr gut, Ewan. Vielen Dank. Mylady?« Mit blitzenden Augen bot Colin Tabitha seinen Arm.
Sie fragte sich, was passieren würde, wenn sie seine Einladung ablehnte. Dann jedoch wurde sie sich der schüchternen Blicke sämtlicher Umstehenden bewusst, sah, dass Arjon ihr zuzwinkerte, ehe er einen geräuschvollen Kuss auf die Lippen seiner ihn umklammernden Begleiterin drückte - und merkte, dass ihr der Gedanke, Colin vor all diesen Menschen zu brüskieren, einfach unerträglich war.
»Sir, es ist mir eine Ehre«, knurrte sie also und nahm entschieden seine Hand.
Tabitha hatte sich immer für grobschlächtig wie einen Ochsen gehalten; aber in Colins breiter Handfläche verschwanden ihre Finger wie in einem großen Gefäß. Sie hatte ihm ihre Hand entziehen wollen, sobald sie außer Sichtweite der anderen waren; aber als sie den steilen Hügel erklommen, verschränkte er seine Finger mit den ihren und machte sie so zu seiner widerstrebenden Gefangenen.
»Glaubt Ihr an Geister?«, fragte er, als der Schatten der Burg ihren Weg verdunkelte.
Sie schob sich ein wenig dichter an ihn heran. »Nein. Und Sie?«
»Früher schon! Aber ich fürchte, das war nichts als Einbildung. Meine Stiefmutter hat immer gesagt, dass die Toten uns durch ihre Abwesenheit strafen und nicht durch ihre Anwesenheit.«
»Sie haben sie geliebt, nicht wahr?«
Zuneigung machte seine Stimme rau. »Ja. Meine eigene Mutter starb sehr jung. Blythe übernahm dann ihren Platz.«
»Und Ihr Vater?«
»Er hat sie ebenfalls geliebt.«
Tabitha fragte sich, ob Colin sie absichtlich missverstand; aber als das Mondlicht auf seine starre Miene fiel, wagte sie nicht, weiterzufragen. Plötzlich tauchte vor ihren Augen eine einladend helle Oase im nächtlichen Dunkel auf, und sie blieb wie angewurzelt stehen.
Colin jedoch zog sie sanft, doch unerbittlich weiter in Richtung des runden Pavillons, der am Waldrand errichtet worden war. Als Tabitha gesenkten Hauptes durch die Öffnung der Behausung trat, verstärkte sich ihr Unbehagen noch.
Ewan hatte sich alle Mühe gegeben, damit sein Herr ein möglichst komfortables Nachtlager bekam. Das warme
Licht der Fackel fiel auf ein Nest farbenfroher Kissen und einen kleinen, mit einem schlanken Krug und zwei silbernen Trinkbechern bestückten Tisch. Dank Colins unverfrorener Behauptung musste der Mann annehmen, sie teilten das schmale, mit Pelzen bedeckte Lager. Aus einem winzigen Messingbrenner stieg der verführerische Duft von Sandelholz zur Zeltdecke hinauf, und Tabitha fragte sich nervös, welche weiteren exotischen Vorlieben Colin aus dem Heiligen Land wohl mitgebracht hatte.
Dem Ritter schien in dieser Höhle sinnlicher Freuden nicht im Geringsten unbehaglich zumute zu sein, dachte sie gereizt. Nachdem er die Öffnung des Zeltes hinter ihnen verschlossen hatte, schenkte er sich eine burgunderfarbene Flüssigkeit in einen der Becher und lehnte sich wie ein selbstzufriedener Sultan in den Kissen zurück. Tabitha stand steif neben dem Tisch und biss sich auf die Unterlippe, um sich nicht lauthals einen eisernen Keuschheitsgürtel zu wünschen. Und zwar ohne Schlüssel!
»Was ist los mit Euch? Hat Lucy Euch die Zunge abgebissen?« Als sie nicht antwortete, stieß er einen langen Seufzer aus. »Seid Ihr immer noch beleidigt, weil ich Euer hübsches Spielzeug an mich genommen habe?« Er stellte seinen Becher fort, verschränkte wie das Playmate des Monats die Arme hinter seinem Kopf und sah sie mit hochgezogenen Brauen an. »Ist Euch vielleicht noch nie der Gedanke gekommen, dass Ihr das Amulett zurückgewinnen könntet?«
Empört rang Tabitha nach Luft. Er versuchte doch glatt, sie zu zwingen, mit ihm ins Bett zu gehen.
Unfähig, sein verruchtes Grinsen zu ertragen, wandte sie sich ab und umklammerte den Tisch.
»Sie sind ein harter
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