Wilder Engel (German Edition)
natürlich nichts besagen, in Anbetracht der sonstigen Umstände. An die er sich ja auch nicht erinnern konnte.
Ein unordentlicher Klamottenhaufen lag direkt neben dem Bett auf dem Boden, doch waren ordentlich auf den einzigen Stuhl im Raum noch weitere Kleidungsstücke gehäuft.
Der Stuhl trug Armani, der Fußboden bloß einen bunten Haufen Baumwollfasern, den Allister jetzt langsam als seine Jeans und sein Hemd identifizieren konnte. Es war ihm auch endlich gelungen, beide Augen weit aufzureißen.
Als Nächstes traf ihn dann urplötzlich ein absolutfürchterlicher Gedanke mitten in die Magengrube. Jedenfalls fühlte es sich so an. Ihm wurde regelrecht übel davon.
»Du hast mich doch nicht etwa gef..., ich meine, wir haben doch nicht etwa, wir beide, du und ich …?« Er konnte es nicht einmal aussprechen, es war zu undenkbar, es konnte, es durfte einfach nicht wahr sein!
»Ehrlich gesagt: Ich weiß es auch nicht, Mann!«, erklärte Cameron sachlich und kühl. »Ich weiß nur noch, dass ich dir im Laufe des Abends ein hübsches Sümmchen ausgehändigt und außerdem die gesamte Zeche bezahlt habe.«
»Was willst du damit andeuten?«
»Lass mich einfach in Ruhe, ja? Denk dir doch eine halbwegs logische Erklärung aus, falls dir die naheliegendste nicht in den Kram passen sollte. Und vor allem spiel hier nicht den Moralapostel, die Rolle steht dir nämlich gar nicht.«
Im nächsten Moment verlor Allister trotz seines Brummschädels die Kontrolle über sich. Er sprang hoch, hechtete ums Bett herum, denn auf seiner Seite war der Abstand zur Wand zu gering, und stürzte sich auf seinen Bettgenossen.
Ehe Cameron überhaupt wusste, wie ihm geschah, war bereits eine Faust auf sein linkes Auge gekracht.
»Aber mein Lieber! So geht man wirklich nicht mit einem Gast um, lass dir das gesagt sein!« Mit diesen wohlüberlegten Worten schlug Cameron gezielt zurück.
13
E twa zur selben Zeit verließ Angie die Pension Julia und machte sich auf die Suche nach einer Telefonzelle.
Sie besaß zwar auch ein Handy, das in derselben Ledertasche wie der Laptop gesteckt hatte, aber sie war sich nicht sicher, ob sie es in diesem speziellen Fall benutzen sollte. Oder konnte. »Oben« nachfragen war ihr momentan unangenehm, also ignorierte sie das Handy vorsichtshalber gleich ganz.
Immerhin war die ganze Aktion bis jetzt eher so eine Art Versuchsballon, sie wollte sich gerne den Freiheitsradius bewahren, um ihre halbherzig getroffene Entscheidung von letzter Nacht notfalls einfach widerrufen zu können. Und dazu gehörte auch, nach Kräften dafür zu sorgen, dass sie nicht etwa aufgestöbert wurde. Die Benutzung eines Handys aber könnte ihr in einer solchen Situation einen gefährlichen Streich spielen, über so viel technisches Verständnis verfügte heutzutage bereits jeder Kleinkriminelle.
An einem Kiosk erstand sie eine Telefonkarte, und kurz darauf fand sich auch bereits ein öffentlicher Fernsprecher.
»Hallo?«
»Wer ist denn da?«
»Hallo, hallo! Hallo, ist da jemand?« Angie pustete sogar leicht in die Sprechmuschel, um deutlich zu machen: Irgendwas stimmt nicht mit dem Apparat, ich kann nichts hören, habe mich vielleicht auch bloß verwählt.
»Hallo, hallo, hallo!«, rief sie noch einmal.
»Ja, hallo. Hallo, Angela! Bist du’s? Hier ist Mama, kannst du mich jetzt hören?«
Kurze Pause, Angie ließ einige Sekunden verstreichen, pustete nochmals leicht in die Sprechmuschel, sagte laut »Mist, verdammter« und legte dann auf.
Sie ließ ungefähr fünf Minuten verstreichen und wählte erneut die Nummer in München.
Nach dem ersten Klingelton bereits wurde abgehoben.
»Angela?«
»Mama, bist du das?«
»Ja, ja. Gott sei Dank, jetzt kannst du mich also hören, Kind. Du hattest doch eben schon mal angerufen?«
»Ich hab’s versucht, aber irgendwas mit dem verdammten Telefon war nicht in Ordnung.«
»Du bist also wieder mal auf Teneriffa gelandet«, stellte Mama Ingeborg als Nächstes fest.
»Woher …«
»Na, wir haben doch jetzt endlich auch einen neuen Telefonanschluss, weil dein Herr Vater plötzlich ins Internet will. Frag mich nicht, was genau er da sucht, ich vermute mal, die Pornoseiten.«
Angie schloss messerscharf, dass die neue Telefontechnik der Engels es ihnen ermöglichte, mittels der auf einem Display aufscheinenden Telefonnummer des Anrufers dessen Identität herauszufinden. Neuerdings mussten demnach aber auch die Telefonzellen auf dieser abgelegenen Insel mit moderner Technik
Weitere Kostenlose Bücher