Wilder Eukalyptus
kurz nach. »Nein, eher nicht. Allerdings gibt es zahlreiche Indizien, die auf eine Mittäterschaft von Adam Sinclair hinweisen. Ob er nun der Kopf der Bande war oder bloß ein Mitläufer, kann ich noch nicht beurteilen. Zumindest können wir ausschließen, dass er das Ding alleine durchgezogen hat. Trotzdem passt Gemma als seine Komplizin irgendwie nicht recht ins Bild. Ich bin mir einfach nicht sicher. Vielleicht sollten wir die Kontoauszüge der Sinclairs beschlagnahmen und auf verdächtige Zahlungen überprüfen. Aber womöglich kommt nichts dabei heraus, und wir tappen weiterhin im Dunkeln, wer die Abnehmer für das gestohlene Vieh sind, falls es überhaupt verkauft wird. Ich denke, Ned Jones hätte es uns gesagt, wenn er im Auftrag der Sinclairs fremdes Vieh verkauft hätte. Verstehst du, was ich meine?«
Craig nickte. »Ja, bin ganz deiner Meinung. Wäre das Diebesgut auf offiziellem Weg verkauft worden, hätte Ned das sicher mitbekommen. Weißt du, was ich allerdings nicht verstehe? In früheren Fällen hatten wir es immer mit Farmern zu tun, die die Zähne nicht auseinanderbekamen. Aber dieses Mal fliegen uns die Informationen nur so zu. Ich meine, nehmen wir nur einmal unseren anonymen Tippgeber, dem wir ein paar wichtige Hinweise
verdanken. Und als du die Tour über die Farmen gemacht hast, bist du überall mit offenen Armen empfangen worden, und man hat dir bereitwillig Auskunft gegeben. Das ist wirklich höchst eigenartig.«
»Ja, du hast recht, das ist in der Tat ungewöhnlich, aber ich denke, die Leute haben einfach genug davon, dass die Viehdiebe ihr Unwesen treiben. Schließlich bestreiten sie ihren Lebensunterhalt von der Zucht. Und in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wie diesen hat keiner was zu verschenken. Da mittlerweile klar ist, dass es sich um Serientäter handelt, und da der vermeintliche Drahtzieher tot ist, denken die Farmer, sie brauchen keine Rücksicht zu nehmen. Allerdings«, fügte Dave nachdenklich hinzu, »verstehe ich nicht, dass keiner sieht, dass Gemma Sinclair dadurch belastet wird, ob sie nun schuldig ist oder nicht.«
Schweigend fuhren sie weiter, und Craig dachte an Jess. Sie war ihm in den letzten Tagen ständig im Kopf herumgespukt, und er hoffte sehr, sie bald wiederzusehen. Sie war einfach umwerfend …
»Träumst du?«, fragte Dave.
»Was?« Craig wurde aus seinen Gedanken gerissen.
»Woran hast du gerade gedacht?«
»Unwichtig. Ich habe nur überlegt, welchen Part Jess Rawlings in dieser Geschichte spielt.«
»Ach ja?« Dave schenkte seinem Partner einen skeptischen Blick.
»Was?«, fragte Craig ungeduldig.
»Ich möchte dich nur warnen. Du weißt sicher noch, was damals passiert ist, als du dich in eine Tatverdächtige verknallt hast. Die Frau wurde schuldig gesprochen,
stimmt’s? Gut, zwischen dir und dieser Jess ist noch nichts gelaufen, aber lass bitte nicht wieder deine Hormone über deinen Verstand siegen, okay?«
Craig gab keine Antwort. Er hasste es, an diese Geschichte zu denken, und er hasste es noch mehr, daran erinnert zu werden. Er nickte kurz, um Dave zu signalisieren, dass er verstanden hatte, und konzentrierte sich dann auf die Umgebung draußen.
Von der Schotterpiste stoben rötliche Staubwolken empor, und Craig blickte auf das Buschwerk, das die Farbe von Kängurus hatte. Der alte Maschendrahtzaun am Feldrand sah aus, als hätte er schon einmal bessere Tage gesehen.
»Kein Wunder, dass hier ständig Vieh verschwindet, bei den maroden Zäunen«, bemerkte Craig.
»Ich habe dir ja bereits von meiner nächtlichen Begegnung mit den ausgebrochenen Schafen erzählt, oder?«, sagte Dave.
Craig nickte und sah wieder aus dem Fenster, während von Neuem Schweigen einkehrte.
Um halb sechs schreckte Gemma aus dem Schlaf hoch, weil das Telefon klingelte. Während sie überlegte, wer um alles in der Welt das sein konnte so früh am Morgen, kletterte sie rasch aus dem Bett und betete insgeheim, dass mit ihrem Vater alles in Ordnung war.
»Hallo?«
»Morgen, Gem.« Es war Jess.
»Jess! Was machst du denn schon so früh auf den Beinen?«, fragte Gemma erstaunt.
»Ich brauche ein paar Angaben von dir, und ich weiß
ja, dass du immer mit den Hühnern aufstehst. Wie läuft die Schur?«
»Gut, sogar richtig gut«, antwortete Gemma und erzählte Jess von dem erfolgreichen ersten Tag und ihrer Hoffnung, dass nach Abzug aller Kosten ein kleiner Gewinn übrig blieb.
Während Jess zuhörte, spielte sie nebenbei mit einem Stift, der vor ihr auf dem
Weitere Kostenlose Bücher