Wilder Sex und heiße Küsse
rief er vom Turm der schwankenden Alfalfa-Ballen zu Jessica hinunter.
Sie stach mit ihrer Heugabel in einen neuen Ballen, der vom Anhänger des alten Lasters fiel. “Weil Larry ein Freund ist und sich noch nicht ganz von seiner Bandscheibenoperation erholt hat.”
Daniel hielt Larry in seinem mit Klimaanlage gekühlten Fahrerhäuschen allerdings für ausreichend erholt. Er hingegen schmorte wieder einmal in der Sonne, die seine Haut bereits mehrmals verbrannt und mittlerweile gebräunt hatte. Er wollte nicht braun sein. Von jetzt an würde er sein Hemd anbehalten. “Und?”
“Und wir helfen ihm, bis er selbst wieder Heu abladen kann.”
Über das bereits gemähte Feldstück kam langsam und holpernd ein schwarzer Pick-up auf sie zu.
“Dann muss ich also nur eine kleine Bandscheibenoperation über mich ergehen lassen, um von dieser Plackerei befreit zu werden?”
Jessica warf ihm einen strafenden Blick zu. Vielleicht sollte er einschüchternd wirken, aber Daniel fand ihn nur süß. Selbst mit ihrem alten, ausgebleichten Käppi und den Alfalfa-Halmen an ihrer Nase war sie …
Es war egal, ob sie süß aussah. Egal, wie blau ihre Augen und wie rot ihr Mund waren! Auch wenn sie wie ein Engel ausschaute – sie war keiner! In ihrer Vergangenheit lagen eine Menge dunkler Geheimnisse verborgen. Daran musste er immer denken. Er sollte seine grauen Zellen mehr aktivieren. Warum, zum Beispiel, ließ sie ihre Praxis im Stich, um hier in der Sonne zu schwitzen? Warum?
“Raus mit der Sprache”, sagte er. “Was bist du Larry schuldig?”
“Schuldig?” Sie taumelte einen Moment, fing sich dann wieder und starrte Daniel entgeistert an.
War das ein Trick? Sein Journalisten-Instinkt begann zu arbeiten.
Der schwarze Pick-up hielt neben dem Laster. Eine Frau stieg aus. Auf dem Arm trug sie ein kleines blondes Mädchen. Ein Mädchen, das genau so aussah wie Jessica.
Was ist nur mit Daniel los?, überlegte Jessica. In der letzten Woche hatte er sich ganz merkwürdig benommen. Das war für ihn natürlich nichts Ungewöhnliches. Aber er war ständig in ihrer Nähe, immer hilfsbereit. Wie jetzt, zum Beispiel. Sie hatte ihn nicht gebeten, sie zu diesem Patientenbesuch zu begleiten. Doch hier stand er und hielt die kleine Stute fest, während Jessica die Wunde an ihrer Schulter nähte.
“Sie wird doch wieder gesund, oder?”, wollte der kleine Andy wissen, der neben Jessica stand.
“Stör Jess jetzt nicht”, sagte seine Mutter Kathy barsch, die mit einem Schwamm das Blut vom Fell wusch.
“Ich glaube, es wird gut verheilen”, antwortete Jessica. Ihr Rücken schmerzte von der gebückten Haltung, und ihr Kopf dröhnte, aber es war Kathy, um die sie sich Sorgen machte. Sie schien kurz vor einem Zusammenbruch zu stehen. “Du musst in Zukunft vorsichtiger sein, Andy.”
“Ja”, meinte er kleinlaut.
Für einen Jungen mit dem Spitznamen Kamikaze wirkte er ziemlich schüchtern. Jessica blickte ihn an. Er war noch nicht ganz zehn Jahre alt, aber in seinen Augen blitzte bereits hin und wieder etwas auf, das sie an seinen Vater erinnerte. Seinen verstorbenen Vater. Arme Kathy.
Andy betrachtete die Naht eingehend.
“Das ist aber ein ganz schön schlimmer blauer Fleck, den du da hast”, sagte Daniel.
Andy richtete sich abrupt auf und zog den Kragen nach oben. “Das ist nichts.”
“Warst du damit schon beim Arzt?”
“Es ist nicht so schlimm”, meinte Andy und warf schnell einen Blick auf seine Mutter. “Ich bin nur hingefallen.”
“Aha”, sagte Daniel, doch in seinem Blick lag eine eigenartige Härte.
Was ist nur los mit ihm?, überlegte Jessica.
Die Tage vergingen wie im Flug. Daniel mistete Ställe aus, trug Hunde herum, schichtete Heuballen auf. Die Arbeit war schwer, aber er hatte sich schon lange nicht mehr so lebendig gefühlt. Er hatte seine Story gefunden. Selbst wenn er im Bett lag, entwickelte sie sich in seinem Kopf weiter. Er hatte von Anfang an recht gehabt. Oakes war keine gemütliche kleine Stadt mit harmlosen Einwohnern, sondern ein trüber Ort der Verderbnis und Sünde. Unter der friedlichen Oberfläche lagen geheimnisvolle Abgründe.
Sogar Jessica, die so süß und unschuldig wirkte, deren Küsse so …
Daniel rief sich zur Ordnung. Er wollte nicht mehr an ihre Küsse denken. Daran, wie sie früh morgens aussah mit ihrem zerzausten Haar und schläfrigem Blick. Daran, wie es sich anfühlen würde, sie wachzuküssen oder die Hände über ihren Körper gleiten zu lassen.
Nein. Sie war
Weitere Kostenlose Bücher