Wildes Blut
Lucero anzugreifen, stellte sie sich zwischen die beiden und befahl: "Bufon, hinaus!"
Mit eingekniffenem Schwanz drehte er sich um und tappte zögernd die Stufen hinunter.
Lucero sah das Kind ungläubig an, die dunkle Haut, die feinen Züge einer criolla und die unverkennbaren Augen der Alvarados mit den silbernen Punkten. "Nun, wie ich sehe, habe ich Innocencia eine Überraschung hinterlassen, ehe ich fortritt", sagte er und grinste. "Ich wundere mich, dass meine Frau Mutter sie und das Kind nicht verbannt hat."
Rosario stand zwischen den Erwachsenen und war verwirrt von den Worten ihres Vaters. Warum hob er sie nicht hoch und wirbelte sie herum, wie er es sonst immer tat? Etwas stimmte nicht. Zum erstenmal seit vielen Monaten schob sie wieder den Daumen in ihren Mund.
"Innocencia ist nicht die Mutter. Das war Rita Herrera. Sie starb letzten Sommer in Hermosillo."
"Erstaunlich. Ja, ich hatte fast vergessen, dass Papa sie noch vor unserer Verlobung fortschickte. Warum ist das Kind hier?"
Nichts von dem, was dieser seltsame Mensch sagte, machte irgendeinen Sinn. Warum sah er ihrem Vater so ähnlich? "Du bist nicht mein Papa", sagte Rosario und wurde immer verwirrter und ängstlicher.
"Dein Papa ist lange fort gewesen, Rosario. Er ist müde -und er war krank. Du musst ihn jetzt ruhen lassen. Wir reden später", sagte Mercedes. Dann wandte sie sich um und ging schnell in die sala, wo sie nach Angelina rief.
Die alte Köchin erschien sogleich und betrachtete Lucero mit besorgtem Blick. "Willkommen daheim, Don Lucero." Diesmal war also der echte Lucero heimgekehrt. Es war seltsam, aber Angelina konnte in ihm nicht den Patron sehen. "Ich habe Ingwergebäck und Limonade für dich", sagte sie zu Rosario und nahm das Kind bei der Hand. "Komm mit. Du kannst mir von deinem Unterricht bei Pater Salvador erzählen, während du isst."
Als sie in der Halle verschwanden, wandte Mercedes sich wieder an Lucero. "Nicholas erhielt die Nachricht von Ritas Tod, und er wollte nicht, dass Rosario allein im Waisenhaus aufwuchs. Er hat sie nach Hause geholt." Wie seltsam es war, auf einmal den wirklichen Namen ihres Geliebten zu benutzen.
Lucero zog eine Braue hoch. "Ich hätte nie geglaubt, dass ein abgebrühter Söldner wie Nicholas Fortune eine Schwäche für Kinder haben könnte." Er zuckte die Schultern. "Vielleicht liegt es daran, dass er selbst bald Vater wird. Wo ist er?"
Mercedes fühlte, wie ihr trotz der warmen Nachmittagssonne ein kalter Angstschauer über den Rücken lief. "Er musste fort zur Grenze, um Zuchttiere zu kaufen. Wir erwarten ihn bald zurück."
Ein berechnender Ausdruck huschte über Luceros schönes Gesicht. "Aus dem Empfang, den man mir bereitete, schließe ich, dass er bereits seit geraumer Ze it fort ist. Vielleicht ist ihm etwas zugestoßen? Wirst du trauern, Geliebte? Um einen Mann, der nicht dein Gemahl ist? Um den Vater deines Kindes?"
"Du hast dich niemals für meine Gefühle interessiert, Lucero.
Warum zum Teufel solltest du es jetzt tun?"
"Weil du meine Gemahlin bist", sagte er kühl.
"Nicht mehr. Du hast mich einem Fremden gegeben. Du hast doch das alles arrangiert, oder etwa nicht? Du hast ihn über deine Familie unterrichtet, über die Hazienda und die Dienstboten. Er wusste fast alles."
Seine Stimmung wechselte wieder, und er lächelte. "Er ist ziemlich gerissen. Aber ich habe mich trotzdem gefragt, ob er es wohl schafft. Wie es scheint, hat er alle außer dir getäuscht."
"Nicht alle. Einige der Dienstboten wissen Bescheid, und ich glaube, deine Mutter ahnt die Wahrheit."
"Also lebt die Alte noch. Schade, dass Papa vor ihr sterben musste."
"Er hat seinen Tod verdient", sagte sie kühl. "Dona Sofia wird ihm bald folgen. Seit der vergangenen Woche geht es ihr wieder schlechter. Pater Salvador hat ihr bereits die Letzte Ölung gegeben."
"Ach ja, dieser schreckliche alte Priester", sagte er bitter.
"Jetzt hat er begonnen, meinen Bastard zu unterrichten, nicht wahr? Welch ein Sinneswandel. Ich hätte niemals gedacht, dass er es ertragen würde, sich in einem Raum mit meinen Nachkommen aufzuhalten, nicht einmal mit denen legitimer Herkunft."
"Was willst du hier, Lucero? Jetzt, da es für den Kaiser so schlecht steht - hast du beschlossen, die Seiten zu wechseln?"
Er lachte. "Wenn ich das nur könnte. Aber ich muss hier in dieser gottverdammten Wildnis ausharren, und zur Unterhaltung gibt es nur die herrlichen Attraktionen von Hermosillo. Du wirst erleichtert sein zu hören, dass ich
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