Wildes Blut
welcher Regierung sie dienten.
Alvarado war so aufgeregt, dass ihm die stumme Verständigung zwischen Lanfranc und Schmidt entging.
Mercedes bestach den Wärter noch einmal, um in jener Nacht Zutritt zum Gefängnis zu erhalten. Nicholas hoffte, dass sie kommen würde, obwohl er sich andererseits wünschte, sie würde in Sicherheit sein, weit fort von dieser Kloake aus Tod und Verzweiflung. Aber in dem Augenblick, da sie die Zellentür durchschritt, schlug sein Herz schneller bei dem bittersüßen Gedanken, sie ein letztes Mal in den Armen halten zu dürfen.
Sie hatte sich geschworen, nicht zu weinen. Aber das war unmöglich, als sie ihn sah, wie er da stand, so groß und schön, ihr herrlicher Geliebter, eingesperrt in seine schmutzige kleine Zelle, bis sie ihn ein letztes Mal hinausführen würden, um ihn abzuschlachten.
"Nicholas, o Nicholas." Sie stellte den Korb ab, den sie trug, und warf sich in seine Arme, klammerte sich mit aller Kraft an ihn, während er sanfte Liebesworte auf englisch und spanisch flüsterte. Endlich gelang es ihr, ihre Gefühle zu beherrschen, und sie sah in sein geliebtes Gesicht, strich mit den Fingern über die feine weiße Linie auf seiner Wange.
"Ich wusste, dass es keinen Sinn hatte, die Wahrheit zu sagen, querida", sagte er auf englisch. Irgendwie schien es ihm passend, in dieser letzten Nacht auf Erden mit ihr in seiner Muttersprache zu reden. Er nahm ihre Hand und küsste sanft ihre Finger.
"Ich musste es versuchen. Ich hätte Gran Sangre verkauft oder es dem Kommandanten gegeben, wenn er dich dafür hätte gehen lassen, aber er hat es abgelehnt", sagte sie niedergeschlagen.
Nicholas lachte leise. "Selbst Kommandant Morales'
Käuflichkeit hat ihre Grenzen."
"Wie kannst du zu einem solchen Zeitpunkt noch Scherze machen?"
Er seufzte, dann fragte er zärtlich: "Was sollte ich sonst tun?"
"Ich würde alles tun, um dich zu retten, und alles hergeben."
"Querida, Gran Sangre gehört unserem Kind. Wir haben im vergangenen Jahr so hart gearbeitet, um die Hazienda zu erhalten. Denk immer daran."
"Ich werde es versuchen", sagte sie traurig und dachte an die endlosen Jahre ohne ihn, die noch auf sie warteten. "Für heute Abend habe ich uns etwas mitgebracht. Das Essen an diesem Ort muss schrecklich sein."
"Ich hatte schon Besseres, aber ich bin auch an so etwas gewöhnt." Er hatte keinen besonderen Appetit, doch er wo llte sie nicht enttäuschen, sondern das letzte bisschen Zeit, das ihnen noch blieb, mit ihr teilen. Es gab noch eine Bitte, die sie ihm erfüllen musste.
Mercedes kniete neben dem groben Strohlager nieder und breitete, ohne auf den strengen Geruch zu achten, der davon ausging, eine saubere Decke darüber. Dann öffnete sie den Korb. Darin waren eine Flasche Wein, ein Laib knusprigen Brotes, verschiedene Früchte, ein Stück Käse, sogar ein ganzes gebratenes Hähnchen. "Es ist nur einfach, aber frisch und wohlschmeckend. Ich habe den Nachmittag auf dem Marktplatz verbracht."
Sie sagte ihm nicht, dass sie dort umhergewandert war, ziellos und verzweifelt, nachdem sich ihre Versuche, Kommandant Morales zu bestechen, als nutzlos erwiesen hatten.
Nicholas setzte sich neben sie und begann, Wein in die Tonbecher zu schenken, während sie die Speisen auf Tellern anrichtete. "Wir müssen das Hähnchen mit bloßen Händen zerlegen. Der Wärter wollte nicht erlauben, dass ich ein Messer mit hineinnehme."
Sie aßen langsam, genossen jeden Augenblick. Die letzten Momente, die sie miteinander verbrachten, waren weitaus kostbarer als jedes Essen. Mercedes beschrieb alles, was sich ereignet hatte, seit er zu Juarez geritten war - Dona Sofias Tod, wie es Angelina, Baltazar und den anderen Leuten auf Gran Sangre ging, und vor allem erzählte sie ihm Anekdoten über Rosario und wie gut sie im Unterricht vorankam.
"Sie wusste sofort, dass Lucero nicht ihr ‚richtiger Papa'
war", sagte sie. "Du bist ihr Vater - in jeder Beziehung."
Als sich ihre Augen mit Tränen füllten, hob Nicholas seinen Becher zu einem Trinkspruch. "Auf Rosario, und auf meine Gemahlin - in jeder Beziehung."
Mit zitternden Händen hob sie ihren Becher, und sie spürten beide den bitteren Geschmack der Tränen. Als sie ausgetrunken hatte, stellte Mercedes ihren Becher ab und sagte: "Ich brauche ein Tuch. Meine Finger sind fettig vom Hähnchen."
Er nahm ihre Hand und hob sie an seinen Mund. "Ich werde sie säubern", sagte er mit rauer Stimme.
Sie erschauerte vor Vergnügen, als sein heißer Atem ihre
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