Wildes Blut
Haut streifte, dann fühlte sie seine samtweiche Zunge und die Lippen, als er über ihre Handfläche leckte und dann an jedem einzelnen Finger sog.
Mercedes schloß die Augen und versuchte, sich diesen Moment einzuprägen, denn er musste ausreichen für ein ganzes Leben. Als er ihre andere Hand nahm, fasste sie nach der seinen, um das gleiche für ihn zu tun. Seine Hand fühlte sich rau an in ihrem Mund, und doch war seine Berührung immer so sanft gewesen. Sie küsste die schwielige Handfläche und dachte an all die Stunden, in denen er mit dem Vieh gearbeitet hatte, während das grobe Leder der Riemen durch seine Hände geglitten war.
Gran Sangre gehört unserem Kind. Und du wirst nicht erleben, wie unser Kind geboren wird!
Sie beugte sich vor, schob den Korb zur Seite und nahm sein Gesicht in ihre Hände, zog ihn an sich, um ihn zu küssen, lehnte sich an ihn, umarmte ihn. Ein letztes Mal, liebe mich ein letztes Mal.
Nicholas wusste, was sie wollte, was er selbst sich so von Herzen wünschte, und doch konnte er es nicht tun. Sanft fasste er nach ihren Schultern und entzog sich ihrem leidenschaftlichen Kuss. Er streichelte ihre Wangen, ihre Nase, ihre Brauen. "Nein, querida. Nicht hier an diesem schmutzigen Ort. Hier gibt es Ratten, und der Wärter kann jederzeit hereinkommen. Ich kann dich hier nicht beschützen. Es ist besser, wenn du jetzt gehst, ehe er oder einer der anderen Soldaten auf dumme Gedanken kommt."
Sie fühlte den Druck seiner Hände und ahnte, was es ihn kostete, sich jetzt von ihr zu lösen. "Nachdem du fort warst, musste ich immer daran denken, dass du vielleicht für Präsident Juarez sterben könntest, und meinetwegen hatten wir uns doch im Streit getrennt. Da erkannte ich, dass mir Religion und Politik vollkommen egal waren, wenn du nur zu mir zurückkehrst. Wie kann ich jetzt ertragen, dich zu verlieren?"
"Etwas bleibt dir", sagte er sanft und legte seine Hand auf ihren Leib. "Erzähl unserem Kind von mir, wenn die Zeit dafür gekommen ist, und sag Rosario, dass ihr richtiger Papa sie sehr geliebt hat."
Sie nickte unter Tränen. "Natürlich."
"Es gibt noch etwas, das du mir versprechen musst, Geliebte."
Sie sah ihn aufmerksam an. "Was ist es?"
"Ich will nicht, dass du bei der Hinrichtung morgen dabei bist. Reite bei Tagesanbruch nach Gran Sangre."
"Nein! Wie kannst du das verlangen? Wie kann ich dich an diesem entsetzlichen Ort allein sterben lassen? Vielleicht haben sie McQueen gefunden. Er könnte ..."
"Nein, Mercedes, er wird nicht kommen. Ich vermute, dass er das Land bereits verlassen hat. Es ist zu spät für mich, aber ich kann es ertragen - wenn ich weiß, dass ihr in Sicherheit seid, du und die Kinder. Man kann nie wissen, was man dir antun wird wie sie mit dir umgehen werden -, wenn ich erst tot bin."
"Nein!" Sie schlug die Hände vors Gesicht und versuchte, die entsetzlichen Bilder zu vertreiben.
"Wenn dir etwas zustoßen würde - dann war mein Leben wirklich sinnlos. Lebe für mich weiter, und behalte mich so in Erinnerung, wie ich jetzt bin - nicht als leblosen Körper, der im Schmutz liegt. Bitte, versprich es mir, damit ich wie ein Mann sterben kann." Seine Stimme zitterte leicht, so verzweifelt war er.
Sie senkte den Kopf, schauderte, rang nach Luft. "Ich ... ich werde Hilario schicken, damit er dich heimholt nach Gran Sangre."
"Danke. Ich möchte dort ruhen, wo mein Leben eigentlich begann."
26. KAPITEL
Nicholas erwachte durch das Geräusch von Schüssen und Rufen draußen im Hof. "Was zum Teufel ist da los?" Er sah aus dem Fenster, das nur ein Stück Himmel seinen Blicken darbot und ein wenig vom Mondlicht hereinließ. Es war zu früh für seine Exekution. Warum wurde geschossen? Er dachte, dass es sich wohl um ein Gelage betrunkener Garnisonssoldaten handelte, und legte sich wieder hin. Jetzt war er wach und starrte die dicken, staubigen Spinnweben an der Decke an.
Das fehlte ihm gerade noch: Die Zeit, um über seinen unmittelbar bevorstehenden Tod nachzudenken. Der Abschied von Mercedes hatte ihn so viel Kraft gekostet, dass er mit Einbruch der Dunkelheit fest eingeschlafen war, aber er wusste, dass er jetzt nicht mehr schlafen konnte. Bedauerte er etwas in seinem Leben? Einiges, doch das vergangene Jahr mit Mercedes und Rosario hatte all das verblassen lassen. Und irgendwie hoffte er, dass seine Arbeit als Patron von Gran Sangre ein paar der Sünden Nicholas Fortunes wieder gutmachen würde.
Er lachte über die Ironie, die darin lag. Nicholas Fortune,
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