Wildes Blut
ersten Stein zu werfen.
Plötzlich fühlte er ein Kribbeln im Nacken, das langsam tiefer zu wandern schien, bis er es zwischen den Schulterblättern spürte. Nick wusste, dass in der Dämmerung jemand auf ihn zielte. Wie zur Hölle hatte es geschehen können, dass jemand hinter ihn gelangte? Wenn du leichtsinnig wirst, wirst du bald tot sein, dachte er, glitt von seinem Wallach und rollte sich zur Seite.
Stille. Wer immer es sein mochte, er hatte nicht vor, eine Kugel zu vergeuden. Nick zog das Messer aus der Scheide an seinem Bein und kauerte sich abwartend in die Dunkelheit.
Dann hörte er ein leises Geräusch zu seiner Rechten. Sand rieselte an der Felswand hinunter. Ein finsteres Lächeln huschte über sein Gesicht, als er sich nach links wandte.
Nicks Gegner stand mit dem Rücken zu ihm an einen Baumstumpf gelehnt und spähte zu dem Busch, hinter dem Nick verschwunden war. Zwar verbarg die breite Hutkrempe sein Gesicht, doch die Uniform des kaiserlichen Soldaten war unübersehbar. Fortune zog seine 44er Remington und spannte sie. "Diese glitzernden Goldborten beeindrucken vielleicht die Damen in Monterrey, aber hier geben Sie damit nur eine gute Zielscheibe ab", sagte er auf französisch.
Der kaiserliche Offizier fuhr herum, den französischen Chassepot erhoben. "Sie sprechen Französisch. Identifizieren Sie sich sofort", erwiderte er auf spanisch.
"Captain Nicholas Fortune von den contre-guerillas", antwortete er ebenfalls auf spanisch, denn allem Anschein nach beherrschte der Fremde die Sprache seiner Verbündeten nicht.
Er hatte etwas seltsam Vertrautes an sich. Der andere Mann machte keine Anstalten, seine Waffe zu senken, und Nick fügte leise hinzu: "Ich würde nicht einmal daran denken, dieses Ding abzufeuern. Selbst wenn ich vorbeischieße überall lauern Guerillas, und Sie geben in diesem Karnevalskostüm ein hervorragendes Ziel ab."
"Ich bitte tausendmal um Verzeihung", entgegnete der kaiserliche Offizier, ließ das Gewehr sinken und stand auf. "Sie haben mich überrascht. Das ist mir schon lange nicht mehr passiert. Ihre Stimme ..." Er legte fragend den Kopf schief, und das Mondlicht fiel auf sein Gesicht.
Es war das Gesicht von Nicholas Fortune.
Auch Nick trat jetzt ins Licht, und der Fremde hielt überrascht die Luft an. "Wer im Namen aller Heiligen sind Sie?"
"Ich sagte es Ihnen gerade", erwiderte Nick und steckte Messer und Pistole zurück an ihren Platz. "Aber wer zum Teufel sind Sie?"
"Captain Lucero Alvarado, Angehöriger der kaiserlichen Garde, jetzt unter dem Kommando von General Marquez", erklärte Nicks Spiegelbild und schlug die Hacken zusammen.
"Ich sollte mit Ihnen Kontakt aufnehmen, aber ich ahnte ja nicht..."
Die beiden Männer umkreisten sich langsam. Sie hatten die gleiche Figur, groß und kräftig, wenn auch Fortune vielleicht ein winziges Stück größer war. Sie sahen einander in die Augen und versuchten, deren Farbe zu erkennen.
"Erstaunlich. Absolut unglaublich", stieß Alvarado hervor.
"Wir sollten aufhören, uns gegenseitig zu bewundern. Die Gegend ist voller Juaristas", sagte Nick trocken und bedeutete seinem Kameraden, ihm zu folgen. "Wo sind Ihre übrigen Männer? Wissen Sie, wie viele den Angriff überlebt haben?"
"Wir haben uns getrennt, als das Feuer eröffnet wurde. Wir waren zu sechst. Und jetzt - wer weiß?" sagte er achselzuckend.
Sie suchten ihre Pferde. Nicks brauner Wallach graste friedlich ein Stück weiter den Pfad hinunter. Lucero pfiff, und ein herrlicher grauer Hengst mit den unverkennbaren Zeichen des andalusischen Vollblut es trabte gehorsam heran.
"Ich habe ihn selbst aufgezogen", sagte Lucero, als er bemerkte, wie Nick das Pferd ansah.
"Sein Name ist Peltre", sagte er, als er sich auf seinen Wallach schwang.
Der Name passte perfekt, denn der Hengst hatte genau den silberne n Farbton von Zinn. "Als wir in die Schlucht ritten, kamen wir an einer Höhle vorbei. Ein guter Platz, um den Rest der Nacht dort zu verbringen", erklärte Nick. "Morgen früh werden wir nach O'Malley suchen."
Fortune erwachte mit dem vertrauten Gefühl, beobachtet zu werden. Er lag auf einem felsigen Untergrund, der ein wenig feucht war. Die Höhle. Sofort erinnerte er sich an die unglaublichen Ereignisse des vergangenen Abends. Ohne die Augen zu öffnen, ließ er seine Hand unter die Decke gleiten, um nach der 32er Sharps zu tasten, die in seiner Manteltasche steckte. Dann blinzelte er.
"Jetzt sind Sie endlich wach. Die Sonne ist schon aufgegangen", sagte
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