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Wildes Herz

Wildes Herz

Titel: Wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Britt Harper
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während ihr geschwächter Körper mit erbittertem Widerstand gegen den drohenden Fiebertod kämpfte, trieb ihr Geist in einem aufgewühlten Meer aus schemenhaften Bildern, unverständlichen Stimmen und wirren Gedanken. Vergangenheit, Gegenwart und Träume, alles vermischte sich miteinander. Doch nichts passte wirklich zusammen. Alles war losgerissen von dem großen Rest sinngebenden Zusammenhangs, nichts war für Éanna mehr zu greifen.
    Das Erste, was Éanna Tage später wieder halbwegs bewusst wahrnahm, waren Flötentöne, die wie aus weiter Ferne an ihr Ohr drangen. Es war die Melodie der Ballade A Youth and an Irish Maid . Sie versuchte sich zu erinnern, wieso ihr der Flötenklang so vertraut war und warum die traurige Melodie sie so froh stimmte. Aber es gelang ihr nicht, und sie sank zurück in die Dunkelheit.
    Das nächste Mal, als sie aus ihrer Traumwelt erwachte, hörte sie zwei Stimmen, die sich stritten. Und plötzlich fügte sich die vage Erinnerung zu einem Bild zusammen. Eine verlassene Kate, ein Mädchen das Flöte spielte, ein flüchtiger Eindruck in der Suppenküche von Carlow. Eine Stimme, die sie überall wiedererkennen würde. Emily Farrell!
    »Nein, du irrst! Das ist ganz sicher nicht die, die du abholen sollst, Dermod Wickham! Und deshalb denke ich gar nicht daran, dir Platz zu machen!«
    »Glaub nicht, ich versteh dich nicht, Emily«, brummte eine fremde Stimme. »Hast dir die letzten Tage ja wirklich viel Mühe damit gemacht, ihre Brust- und Wadenwickel ständig zu erneuern und ihr Wasser und Brühe einzuflößen. Aber es hat nichts genützt. Das ist Nummer siebenundzwanzig diese Woche.«
    »Himmelherrgott, wie oft soll ich dir Holzkopf noch sagen, dass sie nicht tot und daher auch nicht die Nummer siebenundzwanzig dieser Woche ist?«
    »Nun halt mal die Luft an, ja? Ich kann ja wohl noch lesen! Éanna Sullivan, der Name steht hier klar und deutlich auf meiner Liste und mit Kreide da auf dem Kopfbrett über der Bettstelle! Und wen die alte Boyle hier auf diese Liste gesetzt hat, der ist auch tot!«
    »Dann ist entweder der Name auf deiner Liste falsch, oder es gibt unten in den anderen Schlafsälen noch eine andere Éanna Sullivan, die verstorben ist. Meine Freundin hier ist jedenfalls nicht tot! Aber wenn du zu blöd bist, das zu erkennen, dann beug dich doch her und fühl selber ihren Pulsschlag. Na komm, mach schon, Dermod!«
    Éanna fühlte eine schwielige Hand an ihrem Hals.
    »Verdammt, du hast recht! In der ist wirklich noch ein bisschen Leben!«
    »Sag ich es nicht?« Das klang triumphierend. »Meine Freundin kommt durch, das weiß ich. Sie ist auf dem Weg der Besserung, das Fieber ist deutlich gesunken. Also roll den Leichensack wieder ein, und verschwinde gefälligst mit deinem Totenkarren!«
    »Schon gut, schon gut«, brummte die Stimme.
    Éanna spürte, wie die dunkle Schwere sie abermals umhüllte. Einmal mehr drohte sie, darin zu versinken. Doch das durfte nicht geschehen. Erst musste sie sich Emily gegenüber bemerkbar machen. Schließlich gelang es ihr mit größter Anstrengung, die Augen zu öffnen. Blinzelnd blickte sie im Dämmerlicht auf ein Gewirr von rußgeschwärzten Balken und Latten, doch sie hatte keine Ahnung, wo sie sich befand.
    Stockend setzte die Erinnerung ein. Ihre Gedanken schienen sich durch ein Meer von Teer kämpfen zu müssen, um ihr Bewusstsein zu erreichen. Es dauerte einen langen Moment, bis sie endlich begriff, dass es sich bei dem Balkenwerk um den Dachstuhl des Arbeitshauses handelte und dies wohl die Fieberstation war. Sie wollte den Kopf heben, hatte jedoch nicht die Kraft dazu.
    »Emily«, stieß sie mit Mühe hervor. Ihre Hand tastete nach ihrer Freundin.
    Sofort beugte sich Emily zu ihr hinunter. »Éanna! Dem Himmel sei Dank!«, rief sie erleichtert und legte ihr die Hand prüfend auf die Stirn. »Ja, das fühlt sich schon viel besser an! Du hast kaum noch Fieber. Jetzt musst du nur ordentlich essen und trinken, damit du wieder zu Kräften kommst. Ich wusste doch, dass du es schaffen würdest.«
    Éanna versuchte zu lächeln. »Ich dachte, ich würde träumen, als ich deine Stimme gehört habe, Emily«, flüsterte sie und hielt nur mit größter Willensanstrengung die Augen offen. »Überall . . . überall habe ich dich gesucht, Emily. Und . . . ausgerechnet hier treffen wir uns wieder.«
    »Ja, es sollte wohl so und nicht anders sein«, erwiderte Emily und gab einen Stoßseufzer von sich. »Gottlob habe ich mich gleich gemeldet, als dieser

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