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Wildnis

Wildnis

Titel: Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valentin Zahrnt
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unspektakulär. Durch eine enge Rinne schoss das Wasser fünf Meter hinab und fiel zwei weitere Meter frei in ein kleines Becken, an das die Büsche und Bäume unmittelbar heranwuchsen. Anna schlüpfte aus den Schuhen und tauchte einen Zeh ins Wasser.
    „Ein hübsches Versteck“, sagte Jan.
    „Ich werde mich trotzdem nicht ausziehen.“
    „So habe ich das nicht gemeint.“
    „Ich aber. Was Laura und Jenny mit sich machen lassen, geht mich nichts an. Nur mit mir läuft nichts.“ Sie entkleidete sich bis auf ihren schwarzen Bikini. Jan ließ die Boxershorts an.
    Der Wasserfall prasselte auf ihre Schultern. Ihre geschmeidigen Bewegungen ... wenn sie tanzen würde wie Jenny ... wenn er sie berühren könnte wie Jenny. Er stellte sich neben sie und schrie: „Wenn man uns sieht, könnte man meinen, wir sind in den Tropen. Aber wenn man das Wasser fühlt ...“
    „Wärst du doch lieber nach Ibiza gefahren?“
    „Da hätten sie mich nicht mal mitgenommen.“
    Sie kletterten heraus, wischten sich mit der Hand die Tropfen von der Haut und hockten sich mit angezogenen Knien an zwei Baumstämme. Jan nahm eine Tannennadel auf, spielte damit herum, spannte sie schließlich zwischen zwei Finger und schnippte sie Richtung Anna. Die lachte und schoss zurück. Sie kamen nicht weit genug.
    „Ich mache mir Sorgen, Anna.“
    „Ich will davon nichts hören.“
    „Du kannst doch nicht vier Wochen lang –“
    „Es sind nur noch 24 Tage.“
    Er musste sie damit konfrontieren, wie radikal die Gruppe auf den letzten Streit reagiert hatte. Wie würde sie das aufnehmen? „Die Anderen wollen nicht mehr mit dir sprechen“, sagte er zaghaft. „Es sei denn –“
    „Ich weiß.“
    „Wie das?“
    Anna blickte ihn kalt an. „Dein Freund Michael hat mich vorhin aufgesucht und mir vorgeschlagen, dass wir eine Wanderung in das Tal unternehmen sollten, in dem ihr gestern wart. Ich habe ihn abblitzen lassen.“
    „Aber er wollte doch nicht mehr mit dir sprechen!“ Und außerdem hatte er die Nacht mit Laura verbracht – er musste direkt aus ihren Armen zu Anna gelaufen sein. Was hatte das zu bedeuten?
    „Mir hat er erzählt, dass die Gruppe mich ausgestoßen hat. Aber er wollte sich für mich einsetzen und hoffte, dass er den Bann bald aufheben könnte. Und er hat mir versprochen, dass er bis dahin weiter zu mir kommt und mich nicht im Stich lässt.“
    Jan dachte daran, wie Laura und Greg darauf gedrängt hatten, Anna auszuschließen. Hatte Michael tatsächlich versucht, die beiden zu mäßigen? Oder hatte er subtil auf ihre Ächtung hingewirkt? Vielleicht hatte Laura ihn gar nicht mitgezogen, sondern er seinen eigenen Plan verfolgt?
    „In der Schule hat er seine Augen nicht von mir lassen können, egal wie oft ich ihn abserviert habe. Schon seinetwegen hätte ich nicht mitkommen sollen. Dabei kann er wirklich unterhaltsam und aufmerksam sein. Wenn er mir nur nicht so stur nachsetzen würde.“
    „Nimm das nicht auf die leichte Schulter. Er muss besessen von dir sein. Du solltest dich nicht mit der Gruppe überwerfen. Die Gruppe ... bietet dir Schutz, gewissermaßen, ich meine ... Ich weiß nicht, natürlich hast du vor Michael nichts zu befürchten. Es wäre nur einfach besser, wenn du zurückkommst.“
    „Unmöglich! Greg, Laura, Jenny, die können mich alle nicht ausstehen.“ Anna zerbrach eine Tannennadel zwischen den Fingern.
    „Jenny hat nichts gegen dich, und sie ist viel zu zart, um bei Greg und Laura mitzuziehen.“
    „Jenny? Vielleicht küsst sie zart ... Aber sie ist sauer auf mich, weil sie stolz sein will auf sich und ich ihr vor Augen halte, wie schwach sie ist. Sie ist schwach, sie wird immer beim stärksten Teil der Gruppe bleiben. Du solltest dich nicht auf sie verlassen.“ Anna lehnte ihren Kopf an den Stamm und schaute ihn herablassend an. „Du bist für sie nur ein Testfeld. Bei dir behält sie die Kontrolle, du bist noch gehemmter als sie. Sobald sie sich bereit fühlt, schwirrt sie ab zu Michael.“ Sie hatte ihn verletzt und schien das zu merken. „Mach dir nichts draus. Willst du wirklich eine, die sich auszieht, um sich von allen angaffen zu lassen?“
    Jan schwieg betreten, immerhin hatte auch er Jenny angeschaut.
    Anna schnellte in die Hocke. „Hast du Lust, dass ich dir noch etwas zeige?“
    Sie liefen hinunter zum See, noch ein gutes Stück weiter als die Kiefer, auf der sich die Jungs drei Tage zuvor unterhalten hatten. Anna führte ihn an eine enge Bucht, die nur durch einen flachen Zugang

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