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Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy , Carson Ellis
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Seite war. Gleichzeitig entdeckten sie im trüben Lichtschein ein schwindelerregendes Netz von identischen Brücken, die sich kreuz und quer sowohl unter als auch über ihnen über den Abgrund spannten. Es erinnerte Curtis an ein Video, das er zu Hause im Naturkundemuseum gesehen hatte: das verzweigte Geflecht der Fasern des menschlichen Gehirns.
    »O Mann«, hörte Curtis Septimus auf seiner Schulter stöhnen.
    »Lasst uns …«, begann Prue. Sie klang verzweifelt, ängstlich. »Gehen wir einfach weiter.«
    Als wollte er den Ernst ihrer Lage noch unterstreichen, stieß Curtis ’ Magen ein hungriges Knurren aus. »Hör gar nicht hin«, sagte er.
    Sie liefen über die Brücke. Bald darauf gabelte sich der Tunnel, beide Gänge führten zu einer kurzen Treppe. Sie gingen nach links. Noch zwei Mal teilte sich der Weg, ehe sie erneut einen gewaltigen Abgrund überquerten, über den ebenfalls eine Vielzahl von Brücken über und unter ihnen führte. Wo im Vergleich zu ihrer vorherigen Position sie sich inzwischen befanden, war unmöglich festzustellen – geschweige denn, ob das möglicherweise derselbe riesige Raum wie vorher war. Prues Humpeln wurde ausgeprägter.
    »Machen wir Rast«, schlug Curtis vor. »Du siehst aus, als hättest du Schmerzen.«
    Ohne ihn zu beachten lief Prue einfach weiter und folgte blind den unzähligen Gängen des Tunnelsystems. »Es muss einen Weg geben«, hörte er sie flüstern.
    Sie stiegen Stufen hinauf, die steiler und steiler wurden, bis sie die Steinmauer, zu der die Treppe unerklärlicherweise geworden war, über Tritte erklettern mussten. Sie folgten Brücken, die sich stellenweise auf die Breite eines einzelnen Fußes verengten. Sie wanderten durch Tunnel, die sich wanden und unmöglich in sich selbst verschlangen. Tunnel, die groß genug für mutierte Riesen waren, dann jedoch unvermittelt vor einer niedrigen Tür endeten, hinter der sich ein Gang anschloss, den sie nur auf allen vieren durchkriechen konnten. Sie stiegen eine breite Wendeltreppe entlang der Wand eines gewaltigen runden Raums hinab, an deren Fuß sich eine zerbrochene Leiter befand, die wiederum weiter in die Schwärze unter ihnen führte. Auf der Kuppe einer Bogenbrücke setzten sie sich hin und aßen etwas. Während Curtis noch auf dem letzten Apfelstück herumkaute, sah er Prue eindösen. Er lehnte sich an sie und sank ebenfalls in einen tiefen Schlaf. Einige Zeit später stupste Septimus die beiden wach, aber wie lange genau sie sich ausgeruht hatten, war schwer zu sagen. In dieser dunklen Unterwelt schien Zeit keine Bedeutung zu haben.
    Eine kleine Bestandsaufnahme zeigte, dass ihr Proviant noch für höchstens einen Tag ausreichen würde. Curtis massierte sich die Schläfen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie hier in diesem unterirdischen Labyrinth umkommen würden, wurde immer höher. Wie hatte er sich nur von der Seite seiner Räubergefährten reißen lassen können? Ganz bestimmt kam doch in dem Eid, den er damals an dem merkwürdigen Altar im Wald abgelegt hatte, ein Satz vor, der einen dazu verpflichtete, bei den Kameraden zu bleiben. Ihnen stets die Treue zu halten oder so was in dem Stil. Jetzt war er erst seit ein paar Monaten ein Räuber und hatte sie bereits im Stich gelassen. Brendan, Aisling – sie alle. Seine Familie.
    Er stockte. Welche Familie? Das war nicht seine Familie, Prue hatte recht. Seine echte Familie hatte er schon vorher verlassen. Was machte sein Vater jetzt? Seine Mutter? Er stellte sich seine beiden Schwestern vor, die mit ihrem Alltag beschäftigt waren, ohne einen Gedanken an die schreckliche Lage zu verschwenden, in der er sich gerade befand. Gerade erinnerte er sich an das endlose Geplapper der Tina-Puppe seiner jüngeren Schwester, als er Prues Hand vor seinem Gesicht herumwedeln sah. Mit ausdrucksloser, unbewegter Miene stand sie vor ihm.
    »Komm«, sagte sie. »Gehen wir lieber weiter.«
    Sie waren noch nicht sehr lange gelaufen – vielleicht ein oder zwei Stunden –, als Prue ohne Vorwarnung stehen blieb. Curtis rammte sie beinahe von hinten.
    »Was ist denn?«, fragte er.
    »Pst. Hör mal.«
    Curtis hielt den Atem an, doch das Einzige, was er hörte, war das allgegenwärtige tropf, tropf von den Flechten am Mauerwerk.
    »Ich hör ni…«
    »Psssst – da ist es wieder!« Prue legte den Finger auf den Mund und hielt die Laterne hoch.
    Erneut horchte Curtis angestrengt, und dieses Mal hörte er etwas. Etwas anderes als das Tropfen. »Was ist das?« Es klang wie Metall, das

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