Wildwood

Wildwald?«
    Prue war sprachlos. Der Adler schob seinen Kopf nach vorn, bis sein Schnabel nur wenige Zentimeter vor ihrem Gesicht schwebte.
    »Sie sucht ihren Bruder«, warf Richard ein. »Und ihren Freund auch.«
    »Das Außenweltmädchen kann selbst antworten!«, kreischte der Adler, ohne den Blick von Prue abzuwenden.
    »Das st-timmt«, stotterte Prue schließlich. »Meinen Bruder Mac. Er wurde von Krähen entführt und, soweit ich das erkennen konnte, irgendwo hier in diesen Wald gebracht. Also kam ich her, um ihn zu suchen. Und unterwegs ist mir mein Freund Curtis nachgelaufen und wurde von Kojoten gefangen genommen.«
    Einen Moment lang betrachtete der Adler sie schweigend.
»Krähen, sagst du«, meinte er dann. »Und Kojoten.« Er warf seinen Vogelgefährten einen bedeutungsvollen Blick zu und schlurfte mit den Krallen über die Motorhaube.
    »Genau.« Prue fasste etwas Mut. »Und ich wäre wirklich für jede Hilfe sehr dankbar, um Mac und Curtis wiederzufinden. Herr General.«
    Offenbar zufrieden mit dieser Auskunft plusterte der Adler sein Gefieder und sah sich zu Richard um. »Wohin hatten Sie vor, sie zu bringen, Postmeister?«
    »Zum Gouverneurregenten«, entgegnete Richard. »Etwas Besseres ist mir nicht eingefallen.«
    Der Adler schnaubte kurz und drehte sich zu Prue um. »Der Gouverneurregent.« Ein beißender Ton schlich sich in seine Stimme. »Der wird sicherlich eine große Hilfe sein. Ich hoffe, du hast es nicht allzu eilig, deinen Bruder und deinen Freund zu finden, Außenweltkind. Wenn ich mich recht entsinne, ist der Antrag auf Unterstützung bei Menschenentführung durch Krähen ein Standard-H1-Unterpunkt-6-Schrägstrich-45E-Formular, das in dreifacher Ausführung von allen amtierenden Metrokommissaren unterzeichnet werden muss.«
    Die Vogelschar um den Adler herum brach in Gekicher aus. Prue kapierte den Witz nicht. Richard lächelte etwas nervös und meinte: »Ich bin sicher, er wird sehr verständnisvoll sein, General. Außer natürlich, Sie haben eine bessere Idee.«

    »Nein, nein«, sagte der Adler. »Das ist vermutlich der beste Weg. Außerdem könnte ihre Geschichte – falls sie denn stimmt – unserem Gesuch Nachdruck verleihen, wenn der Kronprinz Südwald besucht.«
    »Der Kronprinz?« Richard war überrascht. »In Südwald?«
    »Höchstpersönlich«, erwiderte der Adler. »Die Vögel haben es satt darauf zu warten, dass die Kommissare tätig werden, während die Sicherheit unseres Fürstentums gefährdet ist. Unsere Botschafter wurden ignoriert, wenn nicht gar gemieden, unsere Bitten um Unterstützung und Bündnispartner zurückgewiesen. Wenn der Kronprinz keine Ergebnisse erzielen kann, dann ist ein gewisser Adler der bescheidenen Ansicht, dass die Wildwaldkonventionen null und nichtig sind. In Wildwald braut sich ein Gewitter zusammen. Das habe ich mit eigenen Augen gesehen. Wir können nicht länger dasitzen und abwarten, bis diese Barbaren über uns herfallen.«
    »Verstehe, General«, sagte Richard. »Wenn ich dann jetzt weiterfahren dürfte …« Er zeigte auf den Transporter. »Ich habe eine Menge Post auszuliefern.«
    Der General breitete seine Flügel zu ihrer vollen Spannweite aus. Mit wenigen kräftigen Schlägen erhob er sich in die Luft und landete hoch oben auf einem Ast. »Ja, Postmeister«, sagte er, »Sie dürfen. Aber unterrichten Sie die anderen Kuriere auf der Langen Straße davon, dass wir Reisende so lange weiterhin aufhalten werden,
bis die Sicherheit des Fürstentums gewährleistet ist.« Der Rest der Vögel kreiste über dem Lieferwagen in der Luft und verschwand dann im Dunkel der Bäume. »Und du, Außenweltmädchen«, fuhr der Adler fort, »dir wünsche ich viel Glück. Ich hoffe, du findest, was du verloren hast.« Damit entschwand er in den Wald. Sein Flügelschlag erzeugte einen Windstoß, der die Äste erschütterte und das Laub zerzauste.
    Nachdem die Tiere fort waren, lächelte Richard Prue über die Motorhaube hinweg an und tat, als würde er sich erleichtert den Schweiß von der Stirn abwischen. »Tja.« Er öffnete die Fahrertür und stieg ein. »Dieser Kontrollpunkt hier wird mit jedem Tag anstrengender. Komm. Machen wir uns auf den Weg, ehe sie es sich anders überlegen.«
    Etwas benommen setzte Prue sich wieder auf den Beifahrersitz. Richard legte knirschend den Gang ein und fuhr los.
    »Was hat das denn alles zu bedeuten?«, fragte Prue.
    »Ach, das ist kompliziert, Portland-Prue. Wir müssen durch das Vogelfürstentum fahren. Das ist ein