Wilhelm Tell
Bertha!
Ihr zeiget mir das höchste Himmelsglück,
Und stürzt mich tief in Einem Augenblick.
BERTHA
Nein, nein, das Edle ist nicht ganz erstickt
In euch! Es schlummert nur, ich will es wecken,
Ihr müßt Gewalt ausüben an euch selbst,
Die angestammte Tugend zu ertöden,
Doch wohl euch, sie ist mächtiger als ihr,
Und trotz euch selber seid ihr gut und edel!
RUDENZ
Ihr glaubt an mich! O Bertha, alles läßt
Mich eure Liebe seyn und werden!
|117| BERTHA
Seid
Wozu die herrliche Natur euch machte!
Erfüllt den Platz, wohin sie euch gestellt,
Zu eurem Volke steht und eurem Lande,
Und kämpft für euer heilig Recht.
RUDENZ
Weh mir!
Wie kann ich euch erringen, euch besitzen,
Wenn ich der Macht des Kaisers widerstrebe?
Ists der Verwandten mächtger Wille nicht,
Der über eure Hand tyrannisch waltet?
BERTHA
In den Waldstätten liegen meine Güter,
Und ist der Schweitzer frei, so bin auch ich’s.
RUDENZ
Bertha! welch einen Blick thut ihr mir auf!
BERTHA
Hofft nicht durch Oestreichs Gunst mich zu erringen,
Nach meinem Erbe strecken sie die Hand,
Das will man mit dem großen Erb vereinen.
|118| Dieselbe Ländergier, die Eure Freiheit
Verschlingen will, sie drohet auch der meinen!
– O Freund, zum Opfer bin ich ausersehn,
Vielleicht um einen Günstling zu belohnen –
Dort wo die Falschheit und die Ränke wohnen,
Hin an den Kaiserhof will man mich ziehn,
Dort harren mein verhaßter Ehe Ketten,
Die Liebe nur – die Eure kann mich retten!
RUDENZ
Ihr könntet euch entschließen, hier zu leben,
In meinem Vaterlande mein zu seyn?
O Bertha, all mein Sehnen in das Weite,
Was war es, als ein Streben nur nach Euch?
Euch sucht’ ich einzig auf dem Weg des Ruhms,
Und all mein Ehrgeitz war nur meine Liebe.
Könnt ihr mit mir euch in dieß stille Thal
Einschließen und der Erde Glanz entsagen –
O dann ist meines Strebens Ziel gefunden,
Dann mag der Strom der wildbewegten Welt
Ans sichre Ufer dieser Berge schlagen –
Kein flüchtiges Verlangen hab ich mehr
|119| Hinaus zu senden in des Lebens Weiten –
Dann mögen diese Felsen um uns her
Die undurchdringlich feste Mauer breiten,
Und dieß verschloßne sel’ge Thal allein
Zum Himmel offen und gelichtet seyn!
BERTHA
Jezt bist du ganz, wie dich mein ahnend Herz
Geträumt, mich hat mein Glaube nicht betrogen!
RUDENZ
Fahr’ hin, du eitler Wahn, der mich bethört!
Ich soll das Glück in meiner Heimat finden.
Hier wo der Knabe fröhlich aufgeblüht,
Wo tausend Freudespuren mich umgeben,
Wo alle Quellen mir und Bäume leben,
Im Vaterland willst du die Meine werden!
Ach, wohl hab’ ich es stets geliebt! Ich fühls,
Es fehlte mir zu jedem Glück der Erden.
BERTHA
Wo wär die sel’ge Insel aufzufinden,
Wenn sie nicht hier ist in der Unschuld Land?
Hier, wo die alte Treue heimisch wohnt,
|120| Wo sich die Falschheit noch nicht hingefunden,
Da trübt kein Neid die Quelle unsers Glücks,
Und ewig hell entfliehen uns die Stunden.
– Da seh ich Dich im ächten Männerwerth,
Den Ersten von den Freien und den Gleichen,
Mit reiner freier Huldigung verehrt,
Groß wie ein König wirkt in seinen Reichen.
RUDENZ
Da seh ich dich, die Krone aller Frauen,
In weiblich reizender Geschäftigkeit,
In meinem Haus den Himmel mir erbauen,
Und, wie der Frühling seine Blumen streut,
Mit schöner Anmuth mir das Leben schmücken,
Und alles rings beleben und beglücken!
BERTHA
Sieh, theurer Freund, warum ich trauerte,
Als ich dieß höchste Lebensglück dich selbst
Zerstören sah – Weh mir! Wie stünds um mich,
Wenn ich dem stolzen Ritter müßte folgen,
Dem Landbedrücker auf sein finstres Schloß!
|121| – Hier ist kein Schloß. Mich scheiden keine Mauern
Von einem Volk, das ich beglücken kann!
RUDENZ
Doch wie mich retten – wie die Schlinge lösen,
Die ich mir thörigt selbst um’s Haupt gelegt?
BERTHA
Zerreiße sie mit männlichem Entschluß!
Was auch draus werde – Steh zu deinem Volk,
Es ist dein angebohrner Platz.
(Jagdhörner in der Ferne)
Die Jagd
Kommt näher – Fort, wir müssen scheiden – Kämpfe
Für’s Vaterland, du kämpfst für deine Liebe!
Es ist Ein Feind, vor dem wir alle zittern,
Und Eine Freiheit macht uns alle frei!
(gehen ab.)
|122|
DRITTE SCENE
Wiese bei Altorf. Im Vordergrund Bäume, in der Tiefe der Hut auf einer Stange. Der Prospekt wird begrenzt durch den Bannberg,
über welchem ein Schneegebirg
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