Wilhelm Tell
sein Stachel auch gegeben.
(Armgart kommt mit mehreren Kindern und stellt sich an den Eingang des Hohlwegs.)
STÜSSI
Man deutets auf ein grosses Landesunglück,
Auf schwere Thaten wider die Natur.
TELL
Dergleichen Thaten bringet jeder Tag,
Kein Wunderzeichen braucht sie zu verkünden.
STÜSSI
Ja, wohl dem, der sein Feld bestellt in Ruh,
Und ungekränkt daheim sizt bei den Seinen.
|192| TELL
Es kann der Frömmste nicht im Frieden bleiben,
Wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt.
(Tell sieht oft mit unruhiger Erwartung nach der Höhe des Weges)
STÜSSI
Gehabt euch wohl – Ihr wartet hier auf Jemand?
TELL
Das thu ich.
STÜSSI
Frohe Heimkehr zu den euren!
– Ihr seid aus Uri? Unser gnädger Herr
Der Landvogt wird noch heut von dort erwartet.
WANDERER
(kommt)
Den Vogt erwartet heut nicht mehr. Die Wasser
Sind ausgetreten von dem großen Regen,
Und alle Brücken hat der Strom zerrissen.
TELL
(steht auf)
ARMGART
(kommt vorwärts)
Der Landvogt kommt nicht!
|193| STÜSSI
Sucht ihr was an ihn?
ARMGART
Ach freilich!
STÜSSI
Warum stellet ihr euch denn
In dieser hohlen Gaß’ ihm in den Weg?
ARMGART
Hier weicht er mir nicht aus, er muß mich hören.
FRIESSHARDT
(kommt eilfertig den Hohlweg herab, und ruft in die Scene)
Man fahre aus dem Weg – Mein gnädger Herr
Der Landvogt kommt dicht hinter mir geritten.
TELL
(geht ab)
ARMGART
(lebhaft)
Der Landvogt kommt!
(Sie geht mit ihren Kindern nach der vordern Scene. Geßler und Rudolph der Harras zeigen sich zu Pferd auf der Höhe des Wegs)
STÜSSI
(zum Frießhardt)
Wie kamt ihr durch das Wasser,
Da doch der Strom die Brücken fortgeführt?
|194| FRIESSHARDT
Wir haben mit dem See gefochten, Freund,
Und fürchten uns vor keinem Alpenwasser.
STÜSSI
Ihr wart zu Schiff in dem gewaltgen Sturm?
FRIESSHARDT
Das waren wir. Mein Lebtag denk ich dran –
STÜSSI
O bleibt, erzählt!
FRIESSHARDT
Laßt mich, ich muß voraus,
Den Landvogt muß ich in der Burg verkünden.
(ab)
STÜSSI
Wär’n gute Leute auf dem Schiff gewesen,
In Grund gesunken wärs mit Mann und Maus,
Dem Volk kann weder Wasser bei noch Feuer.
(er sieht sich um)
Wo kam der Waidmann hin, mit dem ich sprach?
(geht ab)
|195|
Geßler und Rudolph der Harras zu Pferd
GESSLER
Sagt was ihr wollt, ich bin des Kaisers Diener
Und muß drauf denken, wie ich ihm gefalle.
Er hat mich nicht ins Land geschickt, dem Volk
Zu schmeicheln und ihm sanft zu thun – Gehorsam
Erwartet er, der Streit ist, ob der Bauer
Soll Herr seyn in dem Lande oder der Kaiser.
ARMGART
Jezt ist der Augenblick! Jezt bring ichs an!
(nähert sich furchtsam)
GESSLER
Ich hab’ den Hut nicht aufgesteckt zu Altorf
Des Scherzes wegen, oder um die Herzen
Des Volks zu prüfen, diese kenn ich längst.
Ich hab ihn aufgesteckt, daß sie den Nacken
Mir lernen beugen, den sie aufrecht tragen –
Das Unbequeme hab ich hingepflanzt
Auf ihren Weg, wo sie vorbeigehn müssen,
Daß sie drauf stoßen mit dem Aug, und sich
Erinnern ihres Herrn, den sie vergessen.
|196| RUDOLPH
Das Volk hat aber doch gewisse Rechte –
GESSLER
Die abzuwägen ist jezt keine Zeit!
– Weitschichtge Dinge sind im Werk und Werden,
Das Kaiserhaus will wachsen, was der Vater
Glorreich begonnen, will der Sohn vollenden.
Dieß kleine Volk ist uns ein Stein im Weg –
So oder so – Es muß sich unterwerfen.
(sie wollen vorüber. Die Frau wirft sich vor dem Landvogt nieder)
ARMGART
Barmherzigkeit Herr Landvogt! Gnade! Gnade!
GESSLER
Was dringt ihr euch auf offner Straße mir
In Weg – Zurück!
ARMGART
Mein Mann liegt im Gefängniß,
Die armen Waisen schreyn nach Brod – Habt Mitleid
Gestrenger Herr, mit unserm großen Elend.
|197| RUDOLPH
Wer seid ihr? Wer ist euer Mann?
ARMGART
Ein armer
Wildheuer, guter Herr, vom Rigiberge,
Der überm Abgrund weg das freie Gras
Abmähet von den schroffen Felsenwänden,
Wohin das Vieh sich nicht getraut zu steigen –
RUDOLPH
(zum Landvogt)
Bei Gott, ein elend und erbärmlich Leben!
Ich bitt euch, gebt ihn los den armen Mann,
Was er auch schweres mag verschuldet haben,
Strafe genug ist sein entsetzlich Handwerk.
(zu der Frau)
Euch soll Recht werden – Drinnen auf der Burg
Nennt eure Bitte – Hier ist nicht der Ort.
ARMGART
Nein, nein, ich weiche nicht von diesem Platz,
Bis
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