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Will Gallows – Der Schrei des Donnerdrachen (German Edition)

Will Gallows – Der Schrei des Donnerdrachen (German Edition)

Titel: Will Gallows – Der Schrei des Donnerdrachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Derek Keilty
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und wollten ihm helfen. Der Schaffnerelf sah noch älter aus als Grandma, und die war immerhin schon siebenundsiebzig. Aber dann sah ich voller Erstaunen, wie er sich elegant auf das Dach schwang und spinnengleich auf uns zugekrabbelt kam.
    Der Wind heulte, und wir klammerten uns alle drei mit weißen Fingerknöcheln an die Reling.
    »Ich glaube, der Zug war noch nie so voll wie heute. Ich hätte unmöglich eine vertrauliche Unterhaltung mit euch führen können.« Der Schaffnerelf wirkte sehr nervös.
    Ich ließ ihn nicht aus den Augen. Er warf einen schnellen Blick nach unten, als hätte er Angst, dass ein heimlicher Lauscher den Kopf zum Seitenfenster des Waggons herausstrecken könnte. »Dann erinnern Sie sich also doch an mich. Ich bin Will. Will Gallows.«
    Er lächelte. »Selbstverständlich erinnere ich mich an dich, Will. Aber das darf niemand wissen. Und ganz besonders nicht die Eisenbahngesellschaft. Du wirst gleich verstehen, warum.«
    Ich nickte. »Okay.«
    Der Elf stieß einen langen Seufzer aus. »Deinem Onkel, dem Medizinmann von Gung-Choux Village, ist großes Unrecht angetan worden. Ich war ja, wie du weißt, selbst einmal Lehrling eines Medizinmannes, und ich glaube, es war eine Fügung der Geister, dass ich gesehen habe, was ich gesehen habe, und dass ihr jetzt hier seid.« Er nickte Jez zu. Erst jetzt wurde mir klar, dass ich die beiden gar nicht vorgestellt hatte. Wie unhöflich von mir.
    »Entschuldigen Sie bitte. Das hier ist meine Freundin Jez. Jez, das ist …« Ich verstummte. Er hatte mir seinen Namen gar nicht gesagt.
    »Mein Name tut nichts zur Sache. Sehr erfreut, dich kennenzulernen, Jez.«
    »Sie haben die Meldungen über das Fort, die toten Soldaten und die Festnahme meines Onkels gelesen?«
    Der Elf nickte feierlich. »Ungläubig und voller Entsetzen.«
    »Er ist unschuldig. Man hat ihm eine Falle gestellt. Als das Fort angegriffen wurde, habe ich neben ihm in seinem Tipi in Gung-Choux Village gelegen. Er hat so laut geschnarcht, dass ich die ganze Nacht kein Auge zugetan habe.«
    Der Elf starrte mich aus blassen Augen an, während sich die Haare um sein faltiges Gesicht bauschten.
    »Ich weiß«, sagte er bedächtig. »Ich war in jener Nacht beim Fort, und dein Onkel war weit und breit nicht zu sehen.«
    Ich hielt den Atem an. »Sie waren da?«
    »Vieles von dem, was dort geschehen ist, verbirgt sich hinter einem geheimnisvollen Schleier, aber ich werde euch alles sagen, was ich weiß.«
    Der Zug überquerte gerade die Brücke, die den Mittelstamm des Großen Kaktusfelsens mit dem östlichen Arm verband. Falls der Wind noch stärker wurde, mussten wir wirklich aufpassen, dass wir nicht in die Tiefe geweht wurden.
    »Am Tag vor den Ereignissen habe ich eine Doppelschicht gemacht, weil ich für einen Freund eingesprungen bin. Am späten Abend dann war meine zweite Schicht fast vorbei. Der Flitzer fuhr aus Deadrock nach oben. Es war dunkel. Auf dem westlichen Arm habe ich ein Beben gespürt – ein sehr starkes. Ich war mir sicher, dass der Arm jeden Augenblick abbrechen und wir alle in den sicheren Tod stürzen würden.
    Ich weiß auch nicht, ob es an der Erleichterung lag, dass wir es doch noch heil wieder heruntergeschafft haben, oder weil ich von der vielen Arbeit einfach so übermüdet war oder an beidem, jedenfalls habe ich mir bei der Fahrt durch den Mid-Rock-Tunnel, als alles so schön dunkel war, ein leeres Abteil gesucht. Dort habe ich mich unter einen Sitz gelegt und bin eingeschlafen.
    Erst sehr viel später bin ich wieder aufgewacht. Es war fast unheimlich still. Wir standen im Bahnhof von Mid-Rock City. Ich habe mir ein Fingerspitzenflämmchen gezaubert und auf meine Taschenuhr geschaut. Es war halb zwölf, also noch eine halbe Stunde bis zur Abfahrt des Mitternachtszuges. So blieb mir genügend Zeit, um mich aus dem Zug zu schleichen, ohne dass der Chef von meinem kleinen Nickerchen erfuhr. Doch plötzlich setzt sich der Zug mit einem Ruck in Bewegung. Ich habe in das Nachbarabteil geschaut, aber es war leer. Mit einem Mal war mir klar, dass wahrscheinlich der ganze Zug leer war. Schließlich war er ja eine halbe Stunde zu früh abgefahren. Aber wieso?

    Irgendetwas stimmte da nicht. Der Klippenflitzer fährt ja sonst immer zuverlässig wie ein Uhrwerk. Ich habe mich über mich selbst geärgert. Wenn ich nicht eingeschlafen wäre, hätte ich mir diesen ganzen Schlamassel ersparen können. Ich wollte nach Hause und nicht schon wieder den Berg hinunter – aber

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