Will Trent 01 - Verstummt
schließlich: »Wurde sie vergewaltigt?«
Pete druckste herum, und Will war neugierig auf seine Antwort und wie diese auf Michael wirken würde. »Es gibt eindeutige Spuren eines gewaltsamen Eindringens, aber es ist schwer zu sagen, ob der Akt mit ihrem Einverständnis geschah oder nicht.« Pete zuckte die Achseln. »Wenn natürlich die Vergewaltigung erst postmortal stattfand, würde man keine Hinweise auf Vaginalverletzungen finden, da es keinen Kontraktionsreflex mehr gegeben hätte.«
Ein verkniffenes Lächeln stahl sich auf Michaels Gesicht, wie man eben lächelte, wenn man alles andere als erfreut war.
Will sagte nun: »Sie meinten, dass sie sexuell nicht unerfahren war. Vielleicht sollten wir herausfinden, ob es in ihrem Leben einen Freund gab.«
»Ich habe Gina gestern Abend danach gefragt«, entgegnete Michael und fügte sofort hinzu: »Gina ist meine Frau.« Will nickte, und er fuhr fort: »Cynthia ging mit keinem Jungen. Sie war ein wirklich braves Mädchen. Phil hatte nie irgendwelche Probleme mit ihr.«
Will wusste, dass der Vater ein Vertreter war, der sich zum Zeitpunkt des Mordes auf der anderen Seite des Landes aufgehalten hatte. »Wann kommt er zurück?«
»Spätestens heute Nachmittag«, antwortete Michael. »Ich würde gern früh Schluss machen, damit ich ihn befragen kann.« Er wandte sich Will zu. »Ich sage Ihnen Bescheid, wenn er irgendwas weiß, das uns weiterbringt.«
Will nickte, er verstand die Botschaft: Michael wollte allein mit dem Vater sprechen. Ein Teil von ihm war froh, dass ihm diese Aufgabe erspart blieb.
Michael fragte Pete: »Haben Sie DNS-Spuren gesichert?«
»Ein paar.«
»Ich bringe sie für Sie nach oben.«
»Danke«, sagte Pete und ging zu der Anrichte neben der Tür. Er gab Michael eine zugeklebte Papiertüte, in der sich die Röhrchen mit den DNS-Spuren aus Cynthia Barretts Vagina befanden.
Will fragte Michael: »Glauben Sie, dass eine Verbindung besteht zwischen diesen Fällen und denen, die ich Ihnen gestern gezeigt habe?«
Der Blick des anderen Mannes ruhte wieder auf Cynthia. »Keine Frage«, antwortete er. »Offensichtlich eskalierte die Sache.«
Will fragte: »Ist Ihnen seit dem Monroe-Mord irgendjemand untergekommen, der dafür in Frage kommen könnte?«
Michael schüttelte den Kopf. »Ich habe gestern Abend über nichts anderes nachgedacht. Mir fällt keiner ein, der so etwas tun würde.« Er hielt kurz inne und erklärte dann: »Ich kann mir vorstellen, es ist jemand, der den Monroe-Tatort beobachtete, als ich dort auftauchte. Danach bin ich sofort nach Hause gefahren. Wahrscheinlich hat mich derjenige verfolgt. Mein Gott!« Er schlug sich mit der Hand an die Stirn. »Es hätte Tim treffen können. Meine Frau...« Er ließ die Hand wieder sinken. »Ich habe meine Familie weggebracht. Sie sind nicht sicher, solange dieser Verrückte noch frei herumläuft.«
»Ist wahrscheinlich das Beste«, meinte Pete. Er legte Michael die Hand auf den Arm. »Es tut mir ja so leid, Detective. Es tut mir leid, dass Ihnen das alles passiert ist.«
Michael nickte, und Will sah wieder Tränen in seinen Augen. »Sie war ein gutes Mädchen«, brachte er heiser hervor. »Kein Mensch verdient so etwas, aber Cynthia...« Er schüttelte den Kopf. »Wir müssen diesen Kerl schnappen. Ich fühle mich nicht mehr sicher, bis der Gefängnisdirektor diesem Arschloch die Nadel in den Arm sticht.« Er schaute Will direkt an und wiederholte: »Ich fühle mich nicht mehr sicher.«
An Michael Ormewoods Auto gelehnt, wartete Will auf den Detective. Er klappte sein Handy auf und starrte das Display an; am liebsten hätte er Angie angerufen. Es gab da etwas, das sie ihm nicht erzählte. Er kannte sie lange genug, um zu merken, wenn sie ihm etwas verheimlichte. Er könnte sie anrufen und fragen, ob ihr in Bezug auf Michael sonst noch etwas eingefallen war. Angie hatte mit dem Detective zusammengearbeitet. Sie wusste über seine außerplanmäßigen Aktivitäten Bescheid. Sie musste einfach mehr wissen, als sie sagte.
»Scheiße«, murmelte Will und klappte das Handy wieder zu. Er war ein Idiot. Wahrscheinlich hatte sie mit dem Mann geschlafen. Er war genau ihr Typ: ein
verheiratetes, nicht verfügbares Arschloch, das sie ausnutzte und dann im Stich ließ.
Will atmete tief ein und wieder aus, überwältigt von seiner eigenen Dummheit. Er hatte sich den Kopf zerbrochen über John Shelley, obwohl doch Michael Ormewood der neueste Fiesling in ihrem Leben zu sein schien. Will fragte sich,
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