Will Trent 02 - Entsetzen
Lippen zusammen und sagte einen Augenblick lang gar nichts. »Es gibt kein Indiz, das ihn mit den beiden Mädchen in Verbindung bringt.« Dann fügte sie hinzu: »Ich glaube, er hat uns alles gesagt, was er weiß.«
»Was ist mit der Waffe?«
»Er hat sie mit gutem Grund erwähnt, aber ich habe seine Büchertasche und sein Zimmer von oben bis unten durchsucht. Falls Adam sich eine Waffe gekauft hatte, gab er sie nicht Gabe. Vielleicht hatte er sie in seinem Auto.«
»Das bedeutet, dass wahrscheinlich unser Kidnapper sie hat«, gab Will zu bedenken. »Wo war Gabe gestern, als das alles passierte?«
»Im Unterricht, aber er war in einem dieser großen Vorlesungssäle. Er musste sich nicht anmelden, der Lehrer führte keine Anwesenheitslisten. Es ist ein wackeliges Alibi.« Sie hielt inne. »Hören Sie, wenn Sie glauben, dass ich Mist gebaut habe, können wir ihn jetzt gleich verhaften. Vielleicht frischt eine Nacht im Gefängnis sein Gedächtnis auf.«
Will war nicht wohl bei dem Gedanken, einen Achtzehnjährigen nur wegen einer Vermutung einzusperren, vor allem bei Gabe Cohens Selbstmordgedanken. Er zählte die Punkte auf, die für Gabe sprachen. »Er hat auf dem Campus kein Auto. Er hat keinen Ort, wo er Emma verstecken kann. Wir haben keine Verbindung zwischen ihm und einem der beiden Mädchen. Kein Motiv, keine Gelegenheit, keine Mittel.«
»Ich glaube, er ist gestört«, sagte sie. »Aber ich glaube nicht, dass er zu so etwas fähig ist.« Faith lachte. »Natürlich, wenn ich die Gabe hätte, Menschen mit Mordgedanken zu durchschauen, dann wäre ich die Herrin der Welt.«
Das war ein Gedanke, der auch Will oft durch den Kopf ging. »Was macht die Schule mit ihm?«
»Victor Martinez, der Dekan, sagt, das ist eine heikle Situation«, erwiderte sie. »Im Grunde genommen sitzen sie zwischen allen Stühlen.«
»Wieso?«
»Erinnern Sie sich noch an dieses gute Dutzend Selbstmorde am MIT damals in den Neunzigern?«
Will nickte. Die Geschichte, dass die Eltern die Universität verklagt hatten, hatte landesweit Schlagzeilen gemacht.
»Die Schulen haben eine gesetzliche Verpflichtung - in loco parentis«, zitierte sie, ein Satz, der im Wesentlichen bedeutete, dass die Schule bei den Studenten Elternfunktion übernimmt, solange sie eingeschrieben sind. »Victor wird dem Vater empfehlen, Gabe für eine psychiatrische Beurteilung einweisen zu lassen.«
Will fiel auf, dass sie den Vornamen des Dekans benutzte. »Ihn einweisen zu lassen?«, fragte er. »Das scheint mir ziemlich drastisch zu sein.«
»Sie müssen vorsichtig sein. Auch wenn Gabe nur schwadroniert, müssen sie ihn ernst nehmen. Ich glaube nicht, dass das Tech ihn ohne eine ärztliche Versicherung, dass er okay ist, wieder zulassen wird.« Sie zuckte die Achseln. »Und auch dann werden sie ihm wahrscheinlich nahelegen, jeden Tag beim Psychologen vorbeizuschauen.«
Will sah Gabe Cohen lieber in geschlossener psychiatrischer Obhut als auf sich allein gestellt draußen in der Welt. So wusste er wenigstens, wie er sich den Jungen schnappen konnte, wenn er wollte.
Er sagte: »Kehren wir zu den Morden zurück.«
»Okay.«
»Kayla wurde von jemandem ermordet, der sie hasste. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich der Mörder ansonsten so viel Zeit gelassen hätte. Die vielen Einstiche, das Herunterziehen des Höschens, das Hochschieben des T-Shirts. Klassische Erniedrigung und Überreaktion. Man zerschlägt jemandem nicht das Gesicht, außer man weiß, wer derjenige ist, und verachtet ihn deswegen.« Dann fügte er hinzu: »Vielleicht haben Sie recht. Vielleicht ist Emma der Geduldsfaden gerissen.«
»Sie hätte ihre beste Freundin umbringen müssen - sie prügeln, auf sie einstechen, sie möglicherweise vergewaltigen mit etwas, das, nach Pete, ein Kondom draufhatte - und dann Adam auf den Kopf schlagen und auf ihn einstechen und auch noch ein Märchen inszenieren müssen, auf das ihre Eltern hereinfallen.« Dann fügte sie hinzu: »Und das erklärt noch immer nicht das Sperma, das in Kayla Alexanders Vagina gefunden wurde.«
»Vielleicht hat Emma einfach nur zugesehen, wie das alles passierte.« Er erinnerte sie: »Charlie sagt, es waren vier Personen in diesem Haus.«
»Stimmt«, gab Faith zu. »Aber eines muss ich zu bedenken geben: Für ein Mädchen wie Emma, das lebt, wo sie lebt, und den Vater und den Großvater hat, die sie hat, ist eine Million nicht viel Geld.«
An das hatte Will noch gar nicht gedacht, aber sie hatte recht. Zehn Millionen
Weitere Kostenlose Bücher