Wille zur Macht
noch eines zu klären.“ Mechthild blickte auf Peer Souton. „Herr Kollege, ich bin Ihnen dankbar für ihre Unterstützung. Können Sie sich nicht vorstellen, uns auch bei den weiteren Ermittlungen zu helfen? Sie haben ja mitbekommen, dass wir knapp besetzt sind, und nach ihrem Bericht heute Abend denke ich, dass wir gut zusammenarbeiten könnten. Also, wie ist es?“
Peer Souton war ein wenig überrascht. Aber er hatte schon mehr Lust, kriminalistisch zu arbeiten, als dem Verkehrssachbearbeiter des Steintorreviers zur Hand zu gehen und Planungen für Parkplätze zu zeichnen.
„Ich muss gestehen, ich würde sehr gerne mitmachen. Aber ich brauche das Praktikum am Revier für meinen Aufstieg“, gab Souton zu bedenken.
Mechthild überlegte. „Wissen Sie was? Sie kommen morgen früh um zehn Uhr noch einmal zu unserer Vorbesprechung in die Runde. Ich rede vorher mal mit dem PP, ob sich da nicht etwas machen lässt.“
Damit war Peer Souton sehr einverstanden. Es würde ihn schon freuen, wenn Mechthild das hinkriegen würde.
„Und bevor Sie hier auftauchen, besuchen Sie Dr. von Sülzen noch einmal. Vielleicht gibt es dann schon mehr Hinweise.“
Als alle gegangen waren, saßen Mechthild und Fritz Behrmann allein im Raum.
„Also, wie isses, Fritz, krieg ich nun heute Abend noch ein Glas Wein, oder hast du etwas Besseres vor?“
Fritz Behrmanns Gesicht entspannte sich zu einem liebevollen Lächeln. „Versprochen ist versprochen, meine Liebe!“
Als die beiden das Polizeihaus verließen, stand auf dem Gehweg vor dem Präsidium ein Transporter. Zwei Männer waren damit beschäftigt, an dem weißen Fußgängerleitgitter Pappplakate anzubringen. Unter der fetten Überschrift „Bremen nach vorn!“ strahlte das Konterfei eines geschniegelten Mannes dem Betrachter entgegen. Unter ihm konnte man „Liste drei“ lesen, daneben war ein dickes, schwarzes Kreuz in einen Kreis gemalt.
„Von denen habe ich ja noch nie gehört.“
Fritz Behrmann hakte Mechthild unter, als die Ampel auf Grün wechselte und schob sie zärtlich über die Straße. „Ach, das ist so ne neue, populistische Partei, wie sie jetzt überall auftauchen. Ein bisschen Ausländerfeindlichkeit, ein bisschen mehr Sicherheit. Eigentlich ist an denen nichts dran. Aber die kommen überall in die Landtage rein. Der Bürger ist eben enttäuscht von den anderen Parteien.“
„Sind das verkappte Rechte?“
„Schon möglich. Auf deren Listen tauchen manchmal ganz schön merkwürdige Zeitgenossen auf.“
Sie schlenderten den Ostertorsteinweg entlang und besahen sich die Auslagen der Schaufenster. Mechthild fühlte sich sehr wohl. Ab und an schaute sie sich unbemerkt Behrmanns Profil an und fand, dass er sehr gut aussah. Seine Nase war kantig, aber sein rundes Kinn entschärfte ihr energisches Auftreten. Es machte sie glücklich, mit ihm auf dieser belebten Straße spazieren zu gehen. Unter all diesen Menschen zu sein. Sie fühlte sich geborgen.
Nach einer halben Stunde erreichten sie die kleine Weinschänke am Steintor. Sie war schlicht eingerichtet. Hinter einer Theke aus dunklem Holz lagen in großen Fächern unzählige Weinflaschen. Eine Schiefertafel an der Wand pries spezielle Angebote an. Sie setzten sich an einen der kleinen Tische, und Behrmann begann, aus der umfangreichen Weinkarte vorzulesen. Mechthild hörte gar nicht zu. Sie lächelte ihn nur an. Endlich unterbrach er sich selbst.
„Also, was möchtest du?“
„Einen trockenen Roten und ein Mineralwasser.“
Behrmann winkte den Inhaber der Schänke herbei und bestellte eine Flasche Brunello und Mineralwasser. Ebenfalls eine Flasche.
Als sie anstießen, ergriff Fritz Behrmann Mechthilds Hand. „Ich bin sehr glücklich, dass es dich gibt“, flüsterte er liebevoll.
Aber er hatte sich für diesen Abend noch mehr vorgenommen, als Mechthild nur zu verstehen zu geben, dass er sie liebte. Wie viele Männer dachte er, dass es das Beste wäre, die schwierigen Dinge sofort anzusprechen, damit sie geklärt wären. Alles andere würde dann leichter sein. Nachdem er zum zweiten Mal Wein eingeschenkt hatte und die Flasche leer war, unternahm er einen ersten Anlauf. Er wollte unbedingt über Mechthilds seit Jahren vermisste Tochter sprechen. Es war kein Geheimnis, dass Mechthilds damaliger Ehemann mit ihrer Tochter in irgendein arabisches Land verschwunden war. Behrmann zweifelte nicht daran, dass Mechthild sehr unter diesem Verlust leiden würde, und er wollte ihr zu verstehen geben, dass er
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