Wille zur Macht
mit ihr empfand und auf ihrer Seite war.
Aber dieses Thema war etwas, was Mechthild zu diesem Zeitpunkt auf keinen Fall anrühren wollte. Behrmanns Worte rissen sie aus der schützenden Hülle dieses Abends, und eine kalte Hand ergriff plötzlich ihr Herz und ließ sie erstarren. Fast traten ihr Tränen in die Augen. Dann kochte in ihr eine enorme Wut hoch. Beinahe hätte sie Behrmann den Rest aus ihrem Glas ins Gesicht geschüttet. So wurde sie von diesem Gefühl überwältigt und suchte nach jemandem, gegen den sie es richten konnte. Aber sie konnte sich beherrschen. Sie wusste, dass er ihr nicht weh tun wollte. Natürlich mussten sie irgendwann einmal über Anna reden. Aber nicht so früh. Mechthilds Stimmung wanderte in den Keller. Fritz Behrmann bemerkte sofort, dass er in ein ausgeprägtes Fettnäpfchen getreten war. Er sah Mechthilds bedrücktes Gesicht. In ihm stieg die Angst empor, alles zerstört zu haben und sie nun zu verlieren.
Doch Mechthild wusste, was in ihm vor sich ging. Vor ein, zwei Jahren wäre sie noch aufgesprungen, hätte den Mann am Tisch einfach sitzenlassen und versucht, ihn möglichst nicht wiederzutreffen. Aber mit Fritz war das jetzt etwas anderes. Sie wollte ihn nicht vor den Kopf stoßen. Sie wollte, dass ihre Liebe ihre Chance behielt.
Sie nahm seine Hände. „Fritz, darüber kann ich mit dir noch nicht reden. Es tut unendlich weh. Lass mir Zeit. Du hast recht, dass es wichtig ist. Für mich, für uns. Aber bitte später.“
Behrmann tat es leid. Er presste seine Lippen zusammen. Wie konnte er nur so unsensibel sein? Hätte er doch bloß den Mund gehalten.
„Komm, Mechthild. Wir gehen noch ein Stück, und dann bringe ich dich nach Hause.“
Mechthild war einverstanden. Jetzt wollte sie hier nur noch raus. Sich bewegen. Schweigend gingen sie Hand in Hand die Horner Straße bis zur Humboldtstraße entlang. Als sie Mechthilds Zuhause erreichten, drückte sie sich fest an Behrmann.
„Es ist gut, dass du mich ins Leben zurückholst, Fritz. Und ich will es auch so. Mit dir.“
Dann küsste sie ihn innig, löste sich aber genauso plötzlich von ihm und ging schnellen Schrittes die Stufen zu ihrer Haustür hinauf.
Fritz Behrmann sah ihr immer noch nach, als sie schon längst im Haus verschwunden war. Als das Licht im Wohnzimmer anging und auch den kleinen Vorgarten erleuchtete, sah er, wie die Gardine beiseite geschoben wurde, Mechthild erschien und ihn hereinwinkte. Unsicher erklomm Behrmann die Treppe zum Eingang. Aber als Mechthild ihm öffnete, war er glücklich, diese Nacht mir ihr zu verbringen.
Als Mechthild Kayser und Fritz Behrmann am nächsten Morgen das Polizeipräsidium erreichten, gingen beide sofort in ihre Büros. Es galt neugewonnene Erkenntnisse zu bewerten und in die Ermittlungen einzufügen. Behrmann hatte seinen Leuten keine Pause gegönnt, sondern verlangt, dass sie über Nacht die weitere Spurenauswertung betreiben sollten. Jetzt brauchten seine Mitarbeiter ihre verdiente Ruhe, und er konnte sich mit den neuen Ergebnissen weiterbeschäftigen. Vielleicht fand er ja sogar einen Grund, seine geliebte Mechthild gleich wieder aufzusuchen. Die hatte unterdessen mit dem Polizeipräsidenten gesprochen, und der war einverstanden, dass Peer Souton ab sofort ihr Team ergänzte. Für die zum Aufstieg benötigte gute Beurteilung würde der PP schon auf dem kleinen Dienstweg sorgen. Dann besprachen sie die bevorstehende Pressekonferenz. Aus einer Bemerkung des PP entnahm Mechthild, dass er noch etwas mit ihr zu besprechen hatte. Aber worum es ging, wollte er noch nicht sagen.
Gegen zehn Uhr saßen alle Ermittler wieder im Besprechungszimmer. Auch Souton war wieder da. Behrmann hatte ein Photo des Toten aus einer erkennungsdienstlichen Behandlung vervielfältigen lassen und dabei darauf geachtet, dass das Aktenzeichen der Aufnahme nicht auf den Abbildungen erschien. Das ging die Öffentlichkeit nichts an. Einem seiner Mitarbeiter war es in der Nacht gelungen, die Passwörter auf den sichergestellten USB-Sticks zu knacken. Behrmann gab aber zu bedenken, dass die Auswertung der Dateien noch mehrere Tage in Anspruch nehmen würde. Er schlug vor, dass Harald Strehlow sich daran setzen könnte.
„Wonach soll ich denn suchen?“
„Sie lesen einfach alles durch und halten fest, was Ihnen verdächtig vorkommt“, erklärte Mechthild. „Notieren Sie außerdem alle Namen und Kontakte, die auftauchen. Ich weiß, es ist eine mühsame Arbeit, aber sie muss gemacht
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