Wille zur Macht
ihr weiterzuhelfen. Ganz sicher hatte sie sich genau überlegt, was diesem Gespräch dienlich war. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Trotzdem musste Mechthild noch eines wissen. „Kennen Sie jemanden auf den Dias?“
„Nein“, antwortete sie. „Christian nannte den Typen immer nur den Colonel. Wenn ich wüsste, wer das ist, wäre ich mit Sicherheit schon weiter als Sie.“
Jetzt war Mechthild erstaunt. Was hatte das nun zu bedeuten? Doch bevor sie weiterfragen konnte, stand Sigrid Janssen auf und verließ wortlos den Tisch. Mechthild sah ihr verunsichert nach und fragte dann Haschner, ob sie immer so sein würde.
„Seien Sie froh, dass sie überhaupt mit Ihnen gesprochen hat. Sie hat mit Vertretern Ihrer Behörde Erfahrungen gemacht, die sie niemals vergeben oder vergessen wird.“
Mechthild war beschämt. „Ja, ich verstehe. Glauben Sie, dass die Bilder für mich relevant sind? Sie haben sie doch sicher schon angesehen.“
„Nein, hab ich nicht“, erklärte Haschner zu Mechthilds Überraschung. „Sigrid lässt niemanden an sich ran. Auch nicht an ihre Materialien. Sie behält immer alles für sich. Von den Dias hat sie sich natürlich Kopien angefertigt. Sie ist sehr misstrauisch. Der Einzige, der ihr näherkommen konnte, war Dunker.“
„Tja, und was machen wir jetzt?“ Mechthild wusste nicht weiter. Sie hatte sich von diesem Gespräch, das Haschner so geheimnisvoll eingeläutet hatte, mehr versprochen.
„Frühstücken, Frau Kayser. Frühstücken. So wie Sie aussehen, kommen Sie ja wohl gerade aus dem Bett, oder?“
Aufgeschreckt griff sich Mechthild in die Haare und ordnete ihre Frisur. Sie hatte sich noch nicht einmal die Zähne geputzt. Es war ihr unangenehm, so ungeordnet aus dem Haus gegangen zu sein.
Kurt Roder schob seine Plastikkarte mit dem Magnetstreifen in den kleinen Schlitz des Lesegerätes neben der Panzerglastür, die die Räumlichkeiten der politischen Polizei von allen anderen Abteilungen im Präsidium trennte. Dann gab er über die Nummerntastatur den dazugehörigen Code ein, und ein Surren des Summers war zu hören und zeigte an, dass die schwere Tür nun zum Öffnen bereit war. Er ging in sein Büro und startete noch im Stehen seinen PC. Dann hängte er, ordnungsliebend wie er war, seinen Mantel auf einen Bügel in einen Schrank, strich die Ärmel noch einmal nach und schaute in den kleinen Spiegel an der Innenseite der Schranktür, um den Sitz seiner Haare zu überprüfen. Für einen Augenblick starrte er gedankenverloren auf sein Konterfei, schloss dann den Schrank und nahm hinter seinem Schreibtisch Platz. Ein „Ping“ aus dem Lautsprecher seines Computers zeigte ihm an, dass eine dringende Nachricht für ihn gespeichert war. Eine verschlüsselte Mitteilung aus dem Haus des Verfassungsschutzes. Nichts Ungewöhnliches. Er öffnete sein Dechiffrierprogramm und ließ die Buchstaben- und Zahlenketten durchlaufen, bis der Text in seiner Urform erschien. Die Nachricht ließ ihn aufhorchen. Ein Mitarbeiter des VS war in der Humboldtstraße von Schutzpolizisten vorläufig festgenommen worden, da er sich in einem Fahrzeug mit nichtregistriertem Kennzeichen befand. Wenig später wurde er aber wieder auf freien Fuß gesetzt. Die Beamten des Steintorreviers hatten auf einen telephonischen Hinweis hin reagiert. Anruferin war eine Frau Schmidt. Wahrscheinlich aus dem Nachbarhaus, vor dem das Fahrzeug stand.
Roder verzog keine Miene. Er öffnete die Meldedatei der Stadt und gab Straße und Hausnummer ein. Bewohner des Hauses waren Albert und Henriette Schmidt, geborene Wagschal. Henriette Schmidt war vor einigen Jahren verstorben. Der verbliebene Ehemann wohnte alleine in dem Haus.
„So, so“, sprach Roder leise vor sich hin und griff zum Telephonhörer. Er wartete ab, bis sich eine Stimme mit einem kurzen „Ja?“ meldete.
„Sie hat’s gemerkt.“
„Das wissen wir auch schon.“
„Gibt es Probleme?“
„Nein, keine. Alles schon geregelt.“
„Bleiben Sie an ihr dran?“
„Nein, das bringt nichts mehr. Wir verfolgen eine andere Strategie. Wir müssen uns treffen.“
Roders Gesprächspartner legte einfach auf. Aber er wusste, was jetzt zu tun war.
Während Klaus Haschner in aller Ruhe ein opulentes Frühstück zu sich nahm, schlang Mechthild förmlich ihr Croissant hinunter und kippte ihren Kaffee ungeduldig hinterher. Sie wischte sich hastig den Mund mit einer Serviette ab.
„Ich muss jetzt ins Büro“, versuchte sie ihre Eile zu erklären und machte
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