Willi von Bellden (German Edition)
etwas antwortete, was ich nicht im Geringsten verstehen konnte, obwohl wir seit Jahren regelmäßig Urlaub in der Ardèche machten.
»Il est un de mes amis. Voilà longtemps que je ne l’ai vu pas.«
Mein Herrchen, immer noch das Handy am Ohr, wechselte die Gesichtsfarbe. Der Schreck, der ihn mit diesem Anruf ereilte, stand ihm förmlich ins Gesicht geschrieben. Es fiel mir schwer, meine Neugier unter Kontrolle zu halten.
» Mon dieu! Je regrette, ce n’est pas possible!«, rief Tanner betroffen in den Hörer. Der Anrufer am anderen Ende sprach sehr schnell, es wunderte mich, dass mein Herrchen dem Gesprochenen überhaupt die gewünschte Bedeutung beimessen konnte.
»Je viendrai à la réunion! Merci de votre compréhension!«, sagte er, beendete das Gespräch und lehnte sich schwer atmend mit geschlossenen Augen gegen das Geländer.
»Was ist los?«, bellte ich ihn an. Schließlich hatte ich auch ein Recht zu erfahren, was passiert war.
»Mein Gott, das war die Polizei. Norbert ist tot. Sie haben meine Nummer, weil er mich gestern noch angerufen hat. Er ist heute Nacht in seinem Appartement in Dijon ermordet worden«, flüsterte Tanner mir bereitwillig zu, was ich verblüfft zur Kenntnis nahm. Aber wenn man es genau nahm, hatte er wohl eher mit sich selbst gesprochen. Auch gut. Alles, was ich wissen musste, wusste ich nun.
Erst nachdem er sich einen Whiskey und drei Zigaretten hintereinander genehmigt hatte, war mein Herrchen wieder in der Lage, zu Hause anzurufen, um die traurige Neuigkeit weiterzugeben. Wie ich mitbekam, war Anny schwer erschüttert über Norberts Tod. Logischerweise beruhigte diese Nachricht auch nicht gerade Selmas Gemüt, schwelte doch die Angst um ihren Gatten unablässig in ihren Sinnen. Schon am nächsten Tag wollte Tanner sich auf den Weg ins siebzig Kilometer entfernte Dijon machen, um bei der dortigen Polizei vorstellig zu werden, weshalb er den Besuch bei dem Winzer Mathis um einen Tag verschob. Natürlich zeigte Mathis durchaus Verständnis dafür, wenngleich er am Telefon übermäßig besorgt und nervös wirkte. Da er über eine wohlklingende dunkle, laute Stimme verfügte, konnte ich jedes gesprochene Wort verfolgen. Auch er hatte Norbert sehr gut gekannt, wie ich unschwer aus dem Dialog zwischen beiden deuten konnte.
Trotz allem, was passiert war, machten wir uns in der Abenddämmerung auf den Weg zum Lager der Archäologen, um dem Grillfest beizuwohnen, zu dem man uns eingeladen hatte.
Tanner stellte den Wagen unmittelbar vor den Wohn- und Bauwägen ab, die kreisförmig aufgestellt waren. Sofort fiel mir wieder der Kombi auf, der unauffällig neben den anderen Autos abgestellt war.
In der Mitte loderten Flammen zu dem dunklen Horizont hinauf, an dem Tausende Sterne auszumachen waren, was wohl ein Zeichen für schönes Wetter am nächsten Tag war. Manny kam uns entgegen, um uns überschwänglich zu begrüßen. Im Laufe der folgenden Stunden sollte ich sie alle, das ganze Ausgrabungsteam, nach und nach kennenlernen, was für mich ein besonderes Vergnügen darstellte, da meine Neugier durch Norberts Tod verständlicherweise weiter fortgeschritten war, als ich mir vor Tagen noch vorzustellen vermocht hatte. Der einzige Platz, der auf den Bänken rund um das Feuer noch unbesetzt war, war der neben der Fotografin Julie, die Tanner freundlich, jedoch eine Spur zu reserviert, begrüßte. Als Erstes fiel mir ihr Gesicht auf, das in der Glut der Flammen jene feinen, vollkommenen Züge einer Diva aufwies, wären sie nicht durch einen Schleier von Schlafmangel, Alkohol und ungesunder Lebensführung überschattet worden. Meine Blicke fielen abwechselnd auf alle anwesenden Personen. Niemand von ihnen trug eine dunkelgrüne Jacke, die mit einem Blutfleck gezeichnet war, und noch immer war ich mir im Unklaren über den rechtmäßigen Besitzer des Kombis, was sich hoffentlich noch im Laufe dieser Nacht ändern würde.
Tanner und Julie begannen höfliche Floskeln auszutauschen, bevor sie auf gemeinsame Grabungsprojekte zu sprechen kamen. Manny beteiligte sich an dem Gespräch, wenn er nicht gerade von den vielen Fleischstückchen aß, die auf dem Grill vor sich hin garten und einen wahrhaft appetitanregenden Geruch verströmten. Ich schwelgte ständig in der Hoffnung, irgendwann einen deftigen Happen ergattern zu können.
Wir waren noch nicht lange in der Runde, als Tanner die Bombe mit Norbert platzen ließ. Für mich war es in diesem Augenblick von enormer Wichtigkeit, die Reaktionen
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