Willi von Bellden (German Edition)
...«, stammelte ich betroffen, »... hätte ich das gewusst, dann hätte es natürlich diesen Angriff nie gegeben!« Mein Kopf sank ein Stückchen tiefer, ich schaffte es nicht, ihm in die Augen zu sehen.
»Vergessen wir es einfach«, meinte er großmütig, würdigte mich aber keines Blickes mehr, vielmehr wirkte er emotional stark mitgenommen. Er schnappte sich die tote Maus, die irgendwo zwischen dem Stroh lag und sprang nach oben, wo sich die hungrigen Kätzchen sogleich darauf stürzten. Blutend und verletzt unternahm Churchill den verzweifelten Versuch, sich die Wunden zu lecken.
Bedrückt und mit gesenktem Haupt ging ich zum Haus. Ich schämte mich zutiefst.
Mittlerweile war die ganze Familie auf den Beinen. Die Kinder spielten im Wohnzimmer; Anny deckte den Frühstückstisch. Als sie mich erblickte, eilte sie sofort in die Küche, um unsere Futterschüsseln aufzufüllen. Genau in diesem Augenblick kam mir der rettende Gedanke. Ich fraß artig meine Schüssel leer, wartete bis Sammy und Oskar ebenfalls satt waren und sich wieder ihrem Ball zuwandten, um dann so unauffällig wie möglich zum Futtersack zu tapsen, der halb voll in einem der Regalfächer der Küche stand. Als Anny mit den Kindern beschäftigt war, zog ich den Sack schnell in den Flur hinaus, von wo aus ich hastig mit dem schweren Ding im Maul zum Heuschober galoppierte. Churchill, durch das schleifende Geräusch auf den Plan gerufen, schaute mich von oben erstaunt an.
»Kannst du bestimmt gebrauchen!«, rief ich meinem ehemaligen Feind zu, der sich tatsächlich ein schales Lächeln abrang, um dann zu mir runterzuspringen. Gemeinsam schleppten wir den Sack bis zur Leiter, wo ich ihn umstieß, damit das Futter auf den Boden kullern konnte. Brocken für Brocken schleppte Churchill die Leiter nach oben. Völlig ausgehungert machten sich die Kleinen sofort an dem Futter zu schaffen, obwohl die Brocken ein wenig zu groß für die kleinen Katzenzähnchen waren.
»Dachte mir, eine Maus ist für die vielen hungrigen Mäulchen doch etwas wenig ...«, meinte ich kleinlaut.
»Danke«, erwiderte Churchill.
»Wir sollten bis auf Weiteres Frieden schließen, denn wir haben jetzt beide eine gewisse Verantwortung zu tragen. Vater sein ist nicht immer ganz leicht, diese Erfahrung durfte auch ich kürzlich machen.«
Ich sah ihn freundschaftlich an, und er nickte mir zu.
Den Tag über musste ich immer wieder an diese Begebenheit zurückdenken, die mich ehrlich gesagt emotional ziemlich mitgenommen hatte. Das Erste, was ich am Abend tat, war durch das Gartentor zu schlüpfen, um diese Geschichte Basko zu erzählen. Ich fand ihn auf der Terrasse dösend, während Natascha gerade dabei war, ihre Farben anzurühren. Auch er war sichtlich betroffen und hegte großes Mitgefühl für unseren ehemaligen Widersacher. Er machte mir den Vorschlag, sich auch ein wenig um die Kleinen zu kümmern, ihnen wenigstens Milch und einen Teil seines Futters zur Verfügung zu stellen. Leider konnte er mich nicht sofort begleiten, da Natascha am Abend Besuch bekommen sollte. Da war es seine Aufgabe, diese Leute aus der Künstlerszene mit lautem Getöse anzukündigen. Seine Abwesenheit wäre sofort aufgefallen. So verabschiedete ich mich und trottete wieder nach Hause. Ich hatte Oskar versprochen, mit ihm »Fang den Stock« zu spielen. Doch als ich nach Hause kam, erwartete mich bereits Tanner, der meinen Namen im ganzen Haus rief. Schnell beeilte ich mich, zu ihm zu kommen.
»Wo hast du gesteckt?«, schnauzte er mich an.
»Bestimmt hat er sich irgendwo ein stilles Plätzchen gesucht, um zu schlafen, damit er seine Ruhe hat«, meinte Anny besänftigend.
Wir sahen uns in die Augen und wussten beide Bescheid. Ich liebe Anny für ihre Flunkereien, die mich schon so oft vor weiterem Unheil bewahrt haben.
»Wir müssen los, Willi, komm!«, sagte Tanner ungehalten.
Zwei Minuten später saßen wir im Wagen. Ich wusste, wohin die Reise gehen würde: an die Mosel zu Selmas und Tonis Haus. Anny und die Kinder winkten uns zum Abschied zu, wie immer. Nach der Größe des Gepäckes zu urteilen, würden wir allerhöchstens eine Nacht bleiben. Mir fiel ein Stein vom Herzen, denn ich hatte Anka noch nicht gesehen, seit wir aus Frankreich zurück waren. Es gab Momente, da vermisste ich sie schrecklich. Es tat richtig weh ums Herz. So wie jetzt. Die Fahrt nach Ediger an der Mosel dauerte etwas über eine Stunde. Wir hielten an einem großen Fachwerkhaus an, das inmitten der Weinberge lag.
Weitere Kostenlose Bücher