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Willi von Bellden (German Edition)

Willi von Bellden (German Edition)

Titel: Willi von Bellden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dori Jones
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einzutauchen, wenn sie sein Interesse regte, ähnlich wie die eines Kindes.
    Selma. Wie sollte er sich das jemals verzeihen, was er ihr angetan hatte, ohne dass sie eigentlich davon wusste? Er war ein Schwein. Bevor er sich darauf eingelassen hatte, hätte er mit jemandem reden sollen. Mit Tanner am besten. Vielleicht hätte er ihn angebrüllt, ihn zur Sau gemacht, aber er hätte seine ehrliche Meinung gesagt. Vielleicht war es gerade das gewesen, was er damals gebraucht hätte. Dann wäre alles anders gekommen.
    »Ich Idiot!«, schrie der Mann aus Leibeskräften und ballte seine Fäuste in seinen Haaren, die strähnig und verfilzt an seinem Kopf klebten.
    »Was bin ich für ein verdammter Idiot!«
    Sein Schrei hallte in dem kleinen Raum, übertrug sich auf die Felsen und Wände, die sich starr um ihn herum auftürmten. Die Stille, die darauf folgte, und der Gedanke an das Nichts, das vor ihm lag, waren unerträglich.
    Noch am gleichen Abend wollten Tanner und Anny unbedingt in die Cooperative nach Rosières fahren, wo sich auch unser Campingplatz befand, um sich eine Weinprobe mit Verkostung regionaler Produkte nicht entgehen zu lassen. Anny und Oma lieben diese Art von Spektakel, was wir Männer nicht immer nachvollziehen können. Zu meiner Entrüstung ließ ausgerechnet Tanner sich von Anny in die Falle locken, da sie ihm minutenlang von den kulinarischen Finessen französischen Weins vorschwärmte. Das reichte aus, um meinen Herrn und Gebieter auf genau dieses Pflaster zu locken, auf das ich gerade gar keine Lust hatte. Basko ging es ebenso. Auch Sammy hob genervt eine Augenbraue. Wir Rüden hatten uns auf wohlige Kuscheldecken gefreut, den Geruch von vertrautem Essen in der Nase, welches Anny und Oma zubereiten wollten, sowie einen geruhsamen und unspektakulären Abend im Kreise der Familie. Oskar war der Einzige, der nervös mit seinem Schwanz wedelte und schon ungeduldig hin und her trippelte. In seinen jugendlichen Trieben gefangen, konnte man ihm noch nicht einmal einen Vorwurf daraus machen. Nach und nach gesellten sich Moni, Bernhard, Jörg, Katja und Frank zu uns. Der halbe Campingplatz war also auf den Beinen, um den ganzen französischen Schnickschnack zu probieren, den alle sowieso schon kannten. Das nennen Menschen dann trotzdem Ereignisse. Oh mein Bello. Wieder einmal war ich froh, ein Hund zu sein, der allen französischen Weinspezialitäten widerstehen konnte.
    Als alle sich erhoben, um den kleinen Weg nach Rosières zu gehen, wagte ich den Versuch, auf meinem Platz liegen zu bleiben, ganz brav und ruhig, mit dem sehnlichsten Wunsch, sie möchten mich vergessen oder noch besser: einfach in Ruhe lassen.
    Doch da hatte ich die Rechnung ohne die höchst leistungsfähige Nichtvergesserin Anny gemacht, deren Blicke beim Hinausgehen sofort nach unten fielen, suchend umherwanderten und schließlich an mir hängen blieben. Im besagten Moment befiel mich ein Déjà-vu, genau passend zu unserem Frankreichaufenthalt und mit niederschmetternder Wirkung. Ich wusste schon, was sie sagen würde, bevor sie das erste Wort ausgesprochen hatte: »Duuu ... bleibst nicht allein hier!« Dabei zeigte sie mit ihrem langen dürren Zeigefinger auf mich, sodass ich empfindlich zusammenzuckte und an die böse Hexe im Märchen von Hänsel und Gretel denken musste. Ihr Finger hatte damals bestimmt genauso ausgesehen, es musste so sein.
    »Duuu ... hast meine Bücher zerstört, angeknabbert, zerrissen! Meine Lieblingsbücher! Und Tiaras Uhr, Lulus Lieblingsteddy, Mimis Schlafanzug, der mit den Blumen drauf, den sie immer so gern angezogen hat, Tanners rechten Pantoffel, den ich ihm erst ein Jahr vorher zu Weihnachten geschenkt habe und die sündhaft teuer waren! Nicht zu vergessen Omas Perlenkette, ein Erbstück von Tante Paula, die zwar eine Schreckschraube war, aber immerhin zu unserer Verwandtschaft gehört hat, meinen Lieblingsmülleimer, der, der in der Küche stand, den Schlauch unseres neuen Staubsaugers, Onkel Helmuts Geldbeutel samt den drei Zehn-Euro-Scheinen, das Handtuch aus dem Gästebad, das mit meinen Initialen bestickt gewesen war ...«
    Anny war nicht mehr zu stoppen. Bei jedem Wort, das sie aussprach, kamen Erinnerungen in ihr hoch, aber auch die Schmerzen über den ganzen Verlust dieser wertvollen Dinge, die als Welpe meinen kleinen, spitzen Zähnen zum Opfer gefallen waren. Okay, es sind einige Sachen mehr, als ich in Erinnerung habe, aber man muss ja aus einer Mücke keinen Elefanten machen. Wahrscheinlich

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