Willi von Bellden (German Edition)
jedem der kleinen Dümpel Rast, um alle Pflanzen und Insekten genau zu erkunden. Für Kinder und Hunde ein wahres Paradies! Die Sonne schien, die Menschen um uns herum wirkten ausgelassen und fröhlich, während wir Hunde allerlei fremden Gerüchen nachgingen oder uns einfach die Wärme auf den Pelz scheinen ließen. Irgendwann war Mimi zwar von einem der kleinen Felsen heruntergerutscht und hatte sich eine hässliche, blutende Schürfwunde zugezogen, aber sie beruhigte sich Bello sei Dank schnell wieder, sodass der Tag in keinerlei Weise getrübt wurde. Oma verstand sich sehr gut darauf, Kinder schnell wieder zu beruhigen, dann erzählte sie immer kurze Horrorszenarien aus ihrer eigenen Kindheit, die so abstrus waren, dass das eigene Malheur einem wie eine Lappalie vorkam. Mimi bekam die Geschichte zu hören, als Oma noch ein kleines Kind war und von ihrem Bruder Apfelsaft eingeflößt bekam, unter Zwang natürlich. Es dürfte nicht schwer zu erraten sein, wie sie körperlich darauf reagiert hatte. Das Schlimme war nur, sie beschrieb haarklein jedes Detail, sodass ich irgendwann einen kleinen Anflug von Übelsein bei mir wahrnahm. Schnell entfernte ich mich ein Stück von der Truppe, die ihrer Geschichte konzentriert und zugleich angeekelt lauschte, um auf andere Gedanken zu kommen. Ich wusste ohnehin, wie die Story zu Ende ging, denn ich hatte sie schon unzählige Male gehört. Nachdem Oma nämlich in hohem Bogen den Apfelsaft samt Mittagessen ausgespuckt hatte, schwor sie sich, niemals wieder Apfelsaft zu trinken. Das hat sie bis heute auch eingehalten. Schon der bloße Geruch davon lässt sie am ganzen Leib vor Ekel zittern. Aber Mimi lachte, und das war die Hauptsache.
Vor mir erhob sich eine der grellroten Libellen in die Luft, gefolgt von einer leuchtend blauen. Wenn man nicht so realitätsbezogen ist wie ich, dann hätte man meinen können, in einem Fantasyfilm zugegen zu sein.
Weiter hinten bemerkte ich eine kleine Geröllansammlung, die mir bekannt vorkam. Ich hatte noch gut in Erinnerung, dass sich davor ein kleiner Spalt im Boden befand, den man überspringen musste, um dann letztendlich zu den Dolmen zu gelangen. Im letzten Jahr waren wir schon einmal hier gewesen, mit Moni und Bernhard, die uns diesen Weg durch das Flussbett gezeigt hatten sowie auch den Weg dorthin. Es ist nicht gerade üblich in Frankreich, überall Hinweisschilder zu finden, welche die Sehenswürdigkeiten ausweisen. Sie agieren eher getreu dem Motto: Der Weg ist das Ziel. Neugierig schritt ich weiter, meine Spürnase gen Himmel gereckt, weil ich plötzlich einen eigenartigen Geruch wahrnahm, der mich an irgendetwas erinnerte, ich wusste nur noch nicht, woran. Von hinten hörte ich johlendes Gelächter; Oma hatte also gerade ihre Geschichte zu Ende gebracht. Der Geruch, den ich in der Nase hatte, war eindeutig einem Menschen zuzuordnen, so viel war sicher, aber wem? Garantiert hatte ich ihn schon einmal gerochen. Wenn ich auf meinen steigenden Puls vertrauen konnte, hing mit dem Geruch auch etwas Wichtiges zusammen. Konzentriert versuchte ich, die Fährte aufzunehmen, als mir plötzlich etwas wie ein Blitz auf mein Hinterteil schoss: Oskar. Wie immer hatte er ausgelassen herumgetollt, ohne zu berücksichtigen, dass er nicht allein auf dieser Welt weilte. Der gewaltige Stoß, auf den ich völlig unvorbereitet gewesen war, ließ mich nach vorn taumeln, mein Gleichgewicht verlieren und prompt mit der Schnauze in einem stinkenden Pflanzenhaufen landen. Toll! Verlegen rappelte ich mich auf und stieß dabei ein kleines Stoßgebet gen Himmel, dass diese Situation für die anderen hoffentlich unbemerkt geblieben war. Langsam wandte ich mich um und starrte prompt in Dutzende Augenpaare, die mich allesamt besorgt ansahen. Bello hatte wohl kein Einsehen mit mir gehabt, oder er hatte nicht schnell genug reagieren können. Also auch das noch. Ohne zu verharren, ging ich einfach weiter.
»Oh!«, sagte Oskar nur und war schon wieder an mir vorbeigehuscht. Schön, dass der eigene Sohn solch freundliche Verhaltensweisen aufwies und dann auch noch die richtigen Worte fand, um sich gebührend bei seinem Herrn Vater zu entschuldigen.
Basko tauchte neben mir auf.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte er freundlich. Für meinen angeknacksten Stolz eine Spur zu freundlich, schließlich war ich kein alter, dümmlicher Rüde.
»Was soll nicht in Ordnung sein?«, schnauzte ich ihn an. »Meinst du, von dem bisschen Stolpern hätte ich mir alle Knochen
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